El Premio San Clemente

no images were found

Gelnhausen/Santiago de Compostela. Es ist schon ein außergewöhnliches, aber auch einzigartiges Gefühl, an einem Samstagmittag mitten in der Schulzeit am Flughafen Adolfo Suárez Madrid-Barajas auf einen Anschlussflug nach Santiago de Compostela zu warten. Überall ertönen spanische Durchsagen, die zusammen mit dem besonderen Ambiente innerhalb und außerhalb des Flughafens zu einem besonderen Gefühl des Urlaubs führen. Man hat den Eindruck, dass das Grimmelshausen-Gymnasium Gelnhausen weit, weit weg ist. Dies ist auch nicht zu bestreiten, da zwischen den besagten beiden Zielen 2000 Kilometer liegen. Wie ist es also möglich, dass man sich während des Schulalltags auf solch ein Abenteuer begibt? Dazu muss man als Außenstehender erst einmal die Vorgeschichte nachvollziehen können:

Im vergangenen Jahr hatten die Spanischkurse der Einführungs- und Qualifikationsphase des GGG unter der Leitung der beiden Lehrerinnen Anja Kozakiewicz und Inka Mänecke zum wiederholten Male am „El Premio San Clemente“ teilgenommen. Bei diesem vom „Rosalía de Castro“, unserer Partnerschule in Santiago de Compostela, organisierten Literaturwettbewerb werden durch eine aus mehreren Ländern stammende Schülerjury der beste spanische, galizische und ausländische Roman ausgezeichnet. Der spanische Fachbereich unserer Schule widmete und widmet sich jedoch ausschließlich der spanischen Literatur. Unsere Kurse wählten mehrheitlich, wie die Spanischklassen aus den USA, Frankreich, England und Russland auch, das von der andalusischen Autorin Sara Mesa verfasste Werk „Cicatriz“ zum besten spanischen Roman für die Jahre 2016/2017. Nun war es schon Freude genug, an solch einem außergewöhnlichen Wettbewerb teilzunehmen zu können. Doch die große Überraschung für mich persönlich sollte noch folgen. Als ich am Anfang dieses Jahres erfuhr, dass ich meine Schule bei der Preisverleihung vertreten solle, fiel ich aus allen Wolken. Im letzten Jahr hatte ich von Mai bis Juni an einem Individualaustausch mit unserer Parnerschule in Santiago de Compostela teilgenommen und deshalb einen Monat lang bei der sehr gastfreundlichen und liebenswürdigen Familie meines Austauschpartners Rodrigo Bello verbringen dürfen. Am Tag meiner Abreise hatten sie mir eindrücklich gesagt „Vuelve cuando tú quieras“, was so viel bedeutet wie „Du kannst wiederkommen, wann immer du willst“. Trotz dieses unglaublich netten Versprechens hätte ich es nicht für möglich gehalten, meine „zweite Heimat“ Galizien so schnell wiederzusehen. Deshalb konnte ich es kaum erwarten, dorthin im Sinne der am 21. März stattfindenden Preisverleihung endlich wieder zurückzukehren. Die Fachbereichsleiterin des Fremdsprachenbereichs unserer Schule, Studiendirektorin Sabine Hartmann, würde mich begleiten. Jedoch entschied ich mich, das Wochenende zu nutzen und schon drei Tage vor dem großen Ereignis anzureisen, um ausreichend Zeit zur Verfügung zu haben, all die wunderbaren Menschen und Orte von letztem Jahr wiederzusehen. Und so nahm ich schließlich nach einem mehrstündigen Aufenthalt in Madrid endlich den Flug nach Santiago de Compostela, der Stadt, in welcher der weltberühmte Jakobsweg endet. Dort angekommen, konnte ich meine Gastfamilie nach neun Monaten wieder in die Arme schließen. Doch Zeit zum Ausruhen gab es nicht, denn sehr bald nach meiner Ankunft ging es zu den Großeltern, dem Onkel, der Tante und dem Cousin in das nur wenige von Santiago entfernte typische galizische Dorf. Die Wiedersehensfreude war groß, ich fühlte mich ehrlich gesagt um neun Monate zurückversetzt. Es dauerte nicht lange und die galizische Stimmung hatte von mir erneut Besitz ergriffen. Auch den am Sonntag erfolgten Ausflug an den Atlantik und die zauberhafte galizische Küste empfand ich wie einen Traum. Mit guter Laune begleitete ich Rodrigo schließlich am Montag in die Schule, in der zahlreiche Eindrücke auf mich einprasselten. Ich war überglücklich, wenigstens für diesen Kurztrip all die im letzten Jahre geknüpften Freundschaften wiederzusehen. Nach sehr kurzer Zeit fühlte ich mich wieder als ein Teil dieser Schule und dieses einzigartigen galizischen Bildungssystems, das zweisprachig aufgebaut ist und dessen Unterricht sich fundamental von deutschen Schulen unterscheidet. Nachdem ich mich schließlich in die Rolle des Gastbruders und Austauschschülers wieder komplett eingefunden hatte, „verwandelte ich mich dienstags in den Repräsentanten meines Spanischkurses aus Deutschland“, wie es die dortige Deutschlehrerin Gemma Paredes so treffend formulierte. Am großen Tag meines Aufenthaltes gab es morgens zunächst eine Pressekonferenz, in der auch ich die Möglichkeit hatte, Sara Mesa Fragen zu ihrem Buch „Cicatriz“ zu stellen. In jenem besonderen Roman geht es um eine langjährige Internetbekanntschaft zwischen einer Frau und einem Mann, in der letzterer vorgibt, jemand zu sein, der er in Wirklichkeit gar nicht ist. Die Botschaft dieser Geschichte sind die Schattenseiten unserer Kommunikation im Internet, über die sich die meisten Nutzer nicht im Klaren sind. Bei der Preisverleihung am Abend hatten die ausländischen Schüler und ich schließlich die einmalige Ehre aus Sara Mesas Werk einen Abschnitt in festlicher Kleidung und vor dem großen Publikum vorzulesen. Zudem wurden von uns und der ausgezeichneten Autorin zahlreiche Bilder auf der Bühne gemacht. Doch das anschließende Abendessen im renommierten und luxuriösen Fünf-Sterne Hotel „Los Reyes Católicos“ war der absolute Höhepunkt meiner Reise. Bei einem köstlichen Fünf-Gänge Menü am Tisch von Sara Mesa konnte ich nicht nur weitere spanische Kontakte knüpfen, sondern auch Menschen in meinem Alter aus Europa und sogar der ganzen Welt kennenlernen. Mit den Repräsentantinnen und Repräsentanten aus Frankreich und den USA stehe ich immer noch über soziale Medien in Kontakt. Nach dem offiziellen Abendessen ging das Feiern jedoch noch weiter. Zusammen mit Rodrigo und einigen Spanierinnen und Spaniern ließ ich diesen tollen Abend und meine unvergessliche Reise in einer coolen Bar bis in die Morgenstunden ausklingen. Lieder wie „Despacito“ und „Súbeme la radio“ krieg‘ ich seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Müde, aber sehr zufrieden nahm ich am nächsten Tag zusammen mit Sabine Hartmann, bei der ich mich an dieser Stelle ausdrücklich für die Begleitung zu diesem einmaligen Ereignis bedanken möchte, den Flug nach Madrid. Nach abermals mehrstündigem Aufenthalt in der Hauptstadt Spaniens kehrten wir schließlich nach Frankfurt am Main zurück. Als ich Stunden zuvor beim Starten des ersten Flugzeugs Galizien aus der Luft betrachtet hatte, hatte ich mir die diesmaligen Abschiedsworte meiner Gastfamilie ins Gedächtnis gerufen. Wieder einmal: „Joschua, vuelve cuando tú quieras“. Und darauf kann ich nur sagen:

„Ja, das werde ich!“

 

von Joschua Neeb