Vor ihrem Amtsantritt spricht die zukünftige Kultusministerin Dorothea Henzler über ihre Pläne, Wünsche und Visionen
Christoph Risch, WIESBADEN.
Ab Donnerstag soll sie das Kultusministerium führen: Dorothea Henzler, FDP-Abgeordnete seit 1995 und über viele Jahre bildungspolitische Expertin ihrer Fraktion. Schon vor ihrem Amtsantritt spricht sie über Pläne, Wünsche und Visionen.
Frau Henzler, Sie nennen Ihren künftigen Posten einen Traumjob. Für viele Ihrer Vorgänger wurde er zum Alptraum. Keine Angst?
Henzler: Natürlich ist das eine große Aufgabe, die vor mir steht. Und natürlich bin ich nervös, weil man sich fragt, ob man dem gerecht wird. Aber die Freude überwiegt.
Ihr Vorgänger Jürgen Banzer hat nach allgemeiner Einschätzung gute Arbeit geleistet. Was werden Sie anders machen?
Henzler: Herr Banzer hat Ton und Stil verändert, er hat mit den Betroffenen geredet. Das werde ich natürlich auch tun. Ich werde mit allen Verbänden und Gewerkschaften, mit allen, die mit Schule zu tun haben, reden. Ich werde viele Schulbesuche machen. Das habe ich schon in der Vergangenheit getan und dabei viele Ideen gewinnen können.
Sie versprechen den Schulen mehr Selbstständigkeit. Wie wird das aussehen?
Henzler: Den Schulen wird ein Finanzbudget zugewiesen mit Mitteln des Landes und der Schulträger. Die Schulen bestimmen, was sie mit den Mitteln machen. Die Schulen erhalten Personalhoheit. Sie können dann entscheiden, ob sie mehr Lehrer oder aber Sozialpädagogen einstellen.
Wie wollen Sie verhindern, dass aus mehr Selbstständigkeit mehr Beliebigkeit wird mit der Folge, dass an den Schulen Chaos ausbricht?
Henzler: Jede Schule hat ihr eigenes Schulprofil. Die Leistungen, die sie erbringt, werden natürlich über die landesweit einheitlichen Vergleichsarbeiten überprüft, über die einheitlichen Abschlussprüfungen und über Schulinspektionen.
Sind die Schulen auf dieses Selbstständigwerden eingerichtet?
Henzler: Wir werden sehr viel mehr in Weiterbildung investieren müssen. Alle Schulleiter müssen dafür geschult werden, auch die Lehrerausbildung muss verändert werden.
Schulleiter und Lehrern sollen mehr disziplinarische Möglichkeiten erhalten. Wie soll das aussehen?
Henzler: Der Schulleiter wird der Dienstvorgesetzte der Lehrer.
Und die Lehrer?
Henzler: Die sollen mehr Möglichkeiten haben, Eltern gegenüber mit mehr Autorität aufzutreten. Das Image der Lehrer ist leider nicht sehr gut. Ich finde, Lehrer sind diejenigen, die unseren Kindern den Weg ins Leben öffnen. Deshalb muss man Lehrern mehr Respekt entgegenbringen.
Mehr Autorität? Ein Beispiel bitte.
Henzler: Es ist doch häufig so, dass Eltern mit dem Rechtsanwalt in die Schule kommen, sobald die Note nicht passt. Da muss den Lehrern öfter der Rücken gestärkt werden.
2500 Lehrer zusätzlich in den kommenden fünf Jahren: Wie verteilt sich das über diesen Zeitraum?
Henzler: Ich wäre dankbar, wenn wir bis zum nächsten Schuljahr die 105-prozentige Lehrerzuweisung erreichen könnten. 20 Prozent davon können die Schulen als Entgelt haben.
Der Lehrermarkt ist leer. Woher sollen die Lehrer denn kommen?
Henzler: Das sind zwar Lehrerstellen, doch die Schulen können entscheiden, wie sie die besetzen. Und wir werden das Seiteneinssteigerprogramm in Zusammenarbeit mit dem Personalrat fortführen. Die Schulen können mit den 20 Prozent auch Referendare einsetzen und später dann Lehrer einstellen.
Sie haben die verpflichtende Kinderschule zum Hauptthema des FDP-Wahlkampfs gemacht. Warum kommt sie nun doch nicht?
Henzler: Wir haben uns genau angesehen, was Kinderschule bedeutet. Ergebnis: Das geht nur über die Schulpflicht. Hessen wäre das erste Land gewesen, in dem Fünfjährige schulpflichtig werden. Das aber wollen viele Eltern nicht, wegen der Abhängigkeit von den Ferien und wegen der Schulwege. Aufgrund der Bedenken haben wir gesagt, dass es dabei bleibt, dass die Kinder auf die Grundschule vorbereitet werden, und zwar als Schulvorbereitungsjahr, das am Kindergarten angesiedelt wird.
Die Bedenken der Eltern hätten Sie doch schon vorher kennen müssen.
Henzler: Die Konsequenzen haben wir so nicht vorhergesehen.
Sie wollen den Gymnasien keine Wahlfreiheit bei der Schulzeitverkürzung G 8 lassen. Warum? Henzler: Das herkömmliche Gymnasium von Klasse 5 bis zukünftig Klasse 12 bleibt ein Angebot für die, die auf schnellem Weg das Abitur machen wollen. Wer das nicht möchte, hat die Alternativen in den Gesamtschulen. Wir wollen kein Hin und Her, die Gymnasien haben sich an G 8 gewöhnt.
Wie weit ist denn die G 8-Reform gediehen?
Henzler: Die meisten Gymnasien haben ihren Weg gefunden – vom Angebot von mehr Doppelstunden bis zur besseren Absprache der Lehrer, was die Hausaufgaben angeht. Auch die räumlichen Rahmenbedingungen sind stark verbessert worden.
Warum siedeln Sie die Schulzeitverkürzung nicht in der Oberstufe an?
Henzler: Weil dann den Realschülern und den Schüler der integrierten Gesamtschulen die Chancen auf das Abitur genommen werden. Drei Jahre Oberstufe sind notwendig, weil die 11. Klasse als Orientierungsjahr für die sehr wichtig ist, die von außen ans Gymnasium kommen.
Sie wollen Aufgaben vom Kultusministerium auf die Schulämter verlagern. Bedeutet das Stellenabbau im Ministerium?
Henzler: Das Ministerium soll nur noch die politischen Vorgaben machen. Ich schließe nicht aus, dass es beim Personal in der Schulverwaltung einen ganz normalen Schwund geben wird.
Wenn Sie einmal in vielen, vielen Jahren aus dem Amt scheiden, was soll dann über Sie gesagt werden?
Henzler: (lacht) Man soll sagen können: Sie hat die Schulen in Hessen vorangebracht und das Leben in der Schule leichter gemacht.
(„Gelnhäuser Tageblatt“ 3.2.2009)