03.11.2009 – GELNHAUSEN
Elias Bierdel berichtet vor Schülern des Gymnasiums
(Markus Wimmer.) „Wer von euch war schon einmal auf den Kanarischen Inseln?“ Zahlreiche Hände gehen in der Aula des Grimmelshausen-Gymnasiums in die Höhe. Viele Schüler der Kurse für Politik und Wirtschaft der Jahrgangsstufe 12 waren schon auf einer der spanischen Inseln vor der Afrikanischen Küste. Bei der Frage, ob sie dort etwas von Afrikanischen Flüchtlingen mitbekommen hätten, müssen die Schüler jedoch passen. Elias Bierdel, Journalist, Autor und 2007 Träger des „Georg Elser Preises“ für Zivilcourage ist in die Gelnhäuser Schule gekommen, um über die aktuelle Situation an Europas Außengrenzen zu berichten.
Auf den Kanaren und im Mittelmeerraum versuche die Europäische Union vor allem mit militärischen Mitteln, die Einreise von afrikanischen Bootsflüchtlingen nach Europa zu verhindern. Dabei werde sehr viel Wert darauf gelegt, das Presse und Öffentlichkeit möglichst nichts von diesen Maßnahmen mitbekommen, kritisierte er. 2006 war Bierdel zusammen mit Kapitän Stefan Schmidt und dem Ersten Offizier Vladimir Daschkewitsch von der „Cap Anamur“ nach der Rettung von 37 afrikanischen Flüchtlingen aus Seenot weltweit in den Schlagzeilen geraten. Der Italienische Staat hatte die drei Flüchtlingshelfer damals festgenommen und als „Schlepper“ vor Gericht angeklagt. Die „Cap Anamur“ wurde als „Tatwerkzeug“ vom italienischen Staat beschlagnahmt und an die Kette gelegt. Am 7. Oktober diesen Jahres wurden Bierdel und seine beiden Mitangeklagten jedoch von einem Gericht im sizilianischen Agrigent freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Haft und eine Geldstrafe in Höhe von 400000 Euro gefordert.
Elias Bierdel, der über diese Rettungsaktion das Buch „Ende einer Rettungsfahrt“ geschrieben hat, engagiert sich inzwischen bei der Vereinigung „borderline-europe Menschenrechte ohne Grenzen“, die über die Lage der Flüchtlinge berichtet. Gestern war er am Grimmelshausen-Gymnasium zu Gast, um den Schülerinnen und Schülern von seiner Arbeit zu berichten. Auf eindringliche Weise schilderte er das Schicksal der Bootsflüchtlinge und die Anstrengungen der EU, namentlich der Agentur „Frontex“, die Einreise dieser Flüchtlinge zu verhindern. „Mit Kriegsschiffen, Schnellbooten, Hubschraubern und satellitengestützter Überwachung werden diese Menschen bekämpft, die in der Flucht von Arm nach Reich die einzige Möglichkeit für eine menschenwürdige Zukunft sehen“, beschrieb er die Situation. Dabei komme es immer wieder zu schrecklichen Todesfällen, die dabei von „Frontex“ zumindest billigend in Kauf genommen würden, kritisierte er die EU-Agentur. „Da sind militärische Einheiten der verschiedensten Waffengattungen unterwegs, um diese Boote zu stoppen“.
Bierdel schilderte auf eindringliche Weise die Situation in den Internierungslagern, vor allem in Italien, Spanien und Griechenland, aber auch in den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla, wo meterhohe Zäune mit Natodraht ein Eindringen auf europäisches Territorium verhindern sollen. „Gerade für mich als Berliner ist es erschreckend, zu sehen, dass mit Stacheldraht, Schießbefehl und sogar Minen, wie an der griechisch-türkischen Grenze, gegen Flüchtlinge vorgegangen wird“, empörte er sich. „Wer glaubt, das Menschheitsphänomen der Migration unterdrücken zu können, der hat auf lange Sicht verloren“, kritisierte Bierdel. Vielmehr gelte es, den Zuzug von Menschen aus den Ländern des Südens sinnvoll zu steuern, betonte er.
Nach seinem Vortrag diskutierte er mit den Schülern über die Problematik und wurde von ihnen mit großem Applaus entlassen. Heute Abend hält Elias Bierdel im Romanischen Haus um 19 Uhr einen Diavortrag unter dem Titel „EU-Außengrenzen: Stoppt das Sterben!“ Der Vortrag findet im Rahmen der „Ökumenischen Friedensdekade“ statt.
(„Gelnhäuser Tageblatt“)