Schon seit einiger Zeit versuchen einige Schülerinnen und Schüler des Grimmelshausen-Gymnasiums Gelnhausen, uns zu zählen. Aber wir machen es ihnen nicht gerade leicht. Zudem haben wir Wildkatzen eine schöne Tarnfarbe und sind leicht mit Hauskatzen zu verwechseln. Wir haben eine eher verwaschene Fellzeichnung und einen buschigen Schwanz mit zwei bis drei dunklen Ringen. Unsere Lieblingsspeisen sind vor allen Dingen Mäuse, je nach Angebot essen wir aber auch Insekten, Eidechsen, Vögel und Frösche. Wir werden etwa sieben bis zehn Jahre alt.
Aber nun zurück zu den Schülerinnen und Schülern des Grimmels…
Vor etwa drei Monaten zogen wir, die Schülerinnen und Schüler, gemeinsam mit Franziska Wöll los, um Wildkatzen zu zählen. Sie dürfen sich das jetzt nicht so vorstellen, dass wir uns versteckt und gewartet haben, bis eine Wildkatze zufällig vorbeiläuft. Nein, wir haben im Schulwald des Grimmels Lockstöcke aufgestellt und zwei Wildtierkameras aufgehängt. Was Lockstöcke sind? Lockstöcke sind etwa 50 cm große Holzpflöcke, die wir mit Baldrian besprüht haben. Den Duft von Baldrianextrakt mögen Katzen sehr gerne. Wenn eine Wildkatze oder ein anderes Tier diesen Geruch riecht, schnuppert es am Lockstock oder reibt sich sogar daran. Dabei bleiben Fellreste des Tieres am Lockstock hängen. Nun kommen wir einmal die Woche vorbei, um eben diese Haare einzusammeln und um diese Proben anschließend wissenschaftlich durch unseren Projektpartner, das Senckenberg Institut Gelnhausen, prüfen zu lassen. So wird festgestellt, ob Wildkatzen im Gelnhäuser Stadtwald vorkommen.
Warum der ganze Aufwand?
Wildkatzen sind bei uns in Hessen eine gefährdete Art und dies trotz langjähriger Schutzbemühungen. Es leben gerade mal 6000 bis 8000 Exemplare in ganz Hessen (für genauere Fakten siehe: www.wildkatzenwegeplan.de). Wir als Schule wollen dies gerne ändern und uns deshalb durch unser Projekt für den Schutz bedrohter Tierarten einsetzen.
„Umweltmonitoring“ der Klassen 7 und Q2 am Grimmels
Am 14. und 16. Januar 2025 fanden zum wiederholten Male zwei Projekttage zum Thema „Biotop- und Artenschutz am Beispiel der Europäischen Wildkatze“ statt, zu deren Umsetzung Susanne Schneider, Naturschutzmanagerin des BUND Hessen, zum wissenschaftlichen Austausch am Grimmels war. In ihrem Vortrag ging es zunächst um die Biologie der Wildkatze.
So erfuhren die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 7 mehr über arttypische Verhaltensweisen, Abstammung, Habitatansprüche, Vorkommen und Schutzstatus der Wildkatze. Dass die Wildkatze als „besonders geschützte Art“ auf der roten Liste erscheint, ist primär auf anthropogene Einflüsse zurückzuführen. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde sie stark bejagt, was zur Ausrottung in vielen Teilen Deutschlands führte. Heute erschweren Straßennetze, Ballungsräume, Bahntrassen und somit die sukzessive Zerschneidung von Lebensräumen den Artbestand. Im Expertengespräch ging es deshalb auch um das vor 15 Jahren vom BUND initiierte Schutzprogramm „Rettungsnetz Wildkatze“, das u.a. durch Etablierung von „Grünbrücken“ Populationen über (Acker-)Flächen miteinander verbindet, die eigentlich für die Wildkatze unüberwindbar sind. Das Thema „Biotop- und Artenschutz“ am Beispiel der Stellvertreterart Wildkatze warf zahlreiche Fragen der Schülerinnen und Schüler auf, was sich im lebhaft gestalteten Expertengespräch mit Susanne Schneider bestätigte.
Neben dieser zunächst theoretischen Einbettung bestand die Möglichkeit, freiwillig an einem jahrgangsübergreifenden Praxismodul teilzunehmen, bei dem interessierte Schülerinnen und Schüler über 3 Monate hinweg Waldareale analysieren, selbst Biodiversitätsforschung betreiben und so einen möglichst authentischen Bezug zum Projekt herstellen können. Ob und inwiefern sich die Wildkatze ihren Lebensraum in und um Gelnhausen zurückerobert, wird hierbei mittels Umweltmonitoring überprüft. Die so heimliche und scheue Wildkatze kann mit Hilfe der sogenannten „Lockstock-Methode“ und Wildtierkameras nachgewiesen werden. Bei der Auswahl der vorgegebenen Waldareale arbeitet die Fachschaft Biologie mit Förstern und Naturschutzbeauftragten der Region zusammen, denen an dieser Stelle zu danken ist.
Bei der Entnahme möglicher Fellproben wurde von den Schülerinnen und Schülern ein hohes Maß an Präzision abverlangt, um die Proben für die DNA-Analysen zu konservieren. Dass sich vermutlich Wildkatzen und andere tierische Interessenten am Lockstock befanden, zeigen die Aufnahmen der Wildtierkamera. Die anschließende genetische Analyse der Fellproben findet in Kooperation mit dem Senckenberg-Institut Gelnhausen in der Arbeitsgruppe Naturschutzgenetik von Dr. Carsten Nowak statt. Dieser im MINT-Bereich etablierte Praxisbaustein zielt damit auch auf die Heranführung an naturwissenschaftliche Arbeitsweisen des Faches Biologie ab. Der Leistungskurs Biologie war am 14. Januar 2025 zum wissenschaftlichen Austausch am Senckenberg Institut und erhielt so einen differenzierten Einblick in genetische Analyseverfahren, passend zum Thema des Kurshalbjahres Q1, Genetik. Mit Spannung wird nun die Auswertung der Fellproben erwartet…
An dieser Stelle gilt ein ganz herzliches Dankeschön an die Projektgruppe für das herausragende Engagement beim Biotop- und Artenschutz.
Franziska Wöll
MINT-Koordinatorin