„Gelnhäuser Tageblatt“, 17.8.2010
Kunstunterricht für die Jahrgangsstufe 7 am GGG fällt in diesem Jahr aus – Aufgeregte Eltern melden sich beim Tageblatt
(skl). „Der Unterricht kann beginnen, die Stellen sind besetzt“, erklärte Eberhardt Luft, Leiter des Staatlichen Schulamts Hanau, zum Schulanfang (siehe Seite 20). Dass es dennoch bei der Lehrerversorgung Probleme gibt, machen die Anrufe aufgeregter Eltern von Schülern des Grimmelshausen-Gymnasiums (GGG) in Gelnhausen deutlich, die sich gestern in der GT-Redaktion meldeten. Einen Tag vor Schulbeginn wurden sie nach eigenen Angaben vom GGG über die Streichung des Kunstunterrichts für ihre Kinder informiert. Die Kunstlehrerin könne für die siebte Klasse des Jahrgangs 2010/2011 nicht mehr bezahlt werden.
„Die Situation ist an vielen Schulen so“, erklärte GGG-Schulleiter Friedrich Bell gestern auf Anfrage des GT. Arbeitsverträge nach dem „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen“ (TV-H) hätten aufgrund geänderter Berechnungsmodi der Schülerzahlen nicht umgesetzt werden können, befristete Verträge seien weggefallen. Acht Lehrer seien davon am GGG betroffen gewesen. Dazu komme der fachspezifische Mangel.
Auch Ralf-Peter Nungäßer, Erziehungswissenschaftler und Vater aus Biebergemünd, meldete sich gestern unter dem Motto „Bildungsnotstand erreicht Grimmelshausen-Gymnasium“ zu Wort. Einen Tag vor Schulbeginn seien die Eltern über die Stellenkürzung informiert worden. Dabei kursiere gleichsam die Information, dass beim Beschwerdegang durch Eltern der Schulleiter sich genötigt sehe, mehrere Klassen umzuverteilen, damit der Anspruch auf Kunstunterricht umgesetzt werden könne.
Der Erziehungswissenschaftler beobachte einen schleichenden Bildungsverfall selbst an höheren Regelschulen in Deutschland. „Fehlende Lernmaterialien müssen immer mehr von Eltern finanziell selbst getragen werden, Eltern ,ersetzen‘ den Lehrermangel durch die Unterrichts-Garantie-Plus und zuletzt werden ganze Unterrichtseinheiten ersatzlos gestrichen“, kritisiert Nungäßer. Versprechen von hessischen Politikern, alle Lehrerstellen seien besetzt und zusätzliche wurden geschaffen, hielten der Realität nicht stand. Alle Bemühungen der Politik mündeten als leere Worthülsen in negativen Pisa-Ergebnissen. Eine politische Elterngeneration verspiele leichtfertig die Chancengleichheit ihrer Kinder. Nungäßer: „Dabei haben doch gerade die Verantwortlichen einen Eid geschworen, Schaden vom Volk abzuwenden. Doch wer heute bei den Kindern spart, der muss morgen für die Folgen von Bildungslücken bezahlen.“ Der Pädagoge ist der Ansicht, dass heute bereits beim Kunstunterricht gespart werde, sei als Statuierung eines Exempels für die Rechtfertigung eines künftigen Unterrichtsausfalls in Mathematik oder im Fach Deutsch zu bewerten. Verkürzte Abiturzeit, Fachkräftemangel, Bildungsnotstand und für die Berufswelt schlecht vorbereitete Schüler seien Produkte einer zu kurz geratenen Politik mit Effekthascherei für die nächste Wahl. Die Bildungspolitik müsse wieder an ihren Idealen einer Beständigkeit und am Reifungsprozess der Kinder ansetzten und nicht durch Finanzkürzungen und Schulzeitverkürzungen ausgehöhlt werden.