Ein Pilot-Projekt am Grimmelshausen-Gymnasium Gelnhausen
Die Corona Pandemie, die Anfang März 2020 Europa und damit auch Deutschland erfasste, zog massive Einschnitte und Veränderungen nach sich, deren Konsequenzen bis heute noch nicht abzusehen sind. Die Schließung des gewohnten täglichen Lebens brachte auch radikale Einschnitte für das traditionelle Unterrichtsgeschehen mit sich.
Die methodischen und inhaltlichen Einschnitte waren fundamental, sie ermöglichten aber auch neue Ansätze. Einen davon konnte Dr. Matthias Dickert, Englischlehrer am Grimmelshausen-Gymnasium Gelnhausen, mit seinem Grundkurs umsetzen und so neue pädagogische Wege gehen.
Der promovierte Anglist arbeitet seit rund 10 Jahren an der Schnittstelle zwischen Schule und Universität. Hier sieht er ein bislang stark vernachlässigtes Betätigungsfeld für Schulen, Schülerinnen und Schülern.
Die von ihm in diesem Zeitraum durchgeführten Projekte mit mehreren anderen Gymnasien in Hessen reichten von Besuchen mit Lerngruppen an Fachbereichen, Vorstellung von schulischen Projekten an diversen Hochschulen, Präsentationen in Seminaren sowie internationalen Tagungen, Veröffentlichungen und eigenen Vorträgen.
Die nötige Unterstützung für seine vielfältigen Projekte zwischen Schule und Universität findet Herr Dickert am Grimmelshausen-Gymnasium durch die Schulleiterin, Frau Oberstudiendirektorin Tina Ruf: „Ich unterstütze diese Projekte auch deshalb sehr gerne, weil sie gerade für den Übergang zwischen Schule und Hochschule von zentraler Bedeutung sind. Vor allem unsere Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe profitieren stark davon!“
Die sich hieraus entwickelte Zusammenarbeit konnte bereits in zwei Vorträgen durch Prof. Becker (Universität Marburg) und Professor Hässelmann (Universität Münster), einen Seminarbeitrag über Kanadische Kriminalromane in einem Hauptseminar (Dr. Dickert) sowie die Teilnahme zweier Schüler an Online-Seminaren an den Universitäten Regensburg und Trier realisiert und konkretisiert werden.
Die jahrelange Teilnahme Dickerts an und Erfahrung gerade mit Online-Seminaren verschiedener nationaler und internationaler Universitäten ermöglichte jetzt eine Buchveröffentlichung seines Grundkurses.
Streng genommen ist das daraus entstandene Werk ein Resultat der Corona-Krise und der sich hieraus ergebenen Notwendigkeit Schule und Homeschooling miteinander zu verknüpfen.
Herr Dickert überzeugte seine Lerngruppe davon, dass Krisen nicht nur Scheitern beinhalten, sondern auch Chancen, neue Wege zu gehen. Und genau das tat sein Kurs.
Die Idee war zunächst den Shutdown des Grimmelshausen-Gymnasiums als zeitlichen Rahmen für eine Klausurersatzleistung zu nutzen. Inhaltlich ging es um die literarische Reflexion zweier im Unterricht analysierter Werke, The Reluctant Fundamentalist (2007) von Mohsin Hamid und Mother to Mother (1998) von Sindiwe Magona. Thematisch wurde die Arbeit auf die Konzeption des amerikanischen Traums in beiden Werken fokussiert, um so die beiden Halbjahre des gesamten Schuljahres zu verbinden. Erfahrungen damit hatten die Schüler hier u.a. schon durch die Bearbeitung des Romans To Kill a Mockingbird (1960) von Harper Lee.
Eine immense Bedeutung der Thematik des ‚American Dream‘ kann in den aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Ermordung von George Floyd am 25. Mai 2020 gesehen werden. Hier wurde und wird die Diskussion um den amerikanischen Traum neu entfacht und in Frage gestellt und sie zeigte sich u.a. in den landesweiten Protesten.
Vor Schließung der Schule wurde das Projekt besprochen und Herr Dickert gab eine Einführung in wissenschaftliches Arbeiten (Lesen von Sekundärmaterial, Zitieren, Online Recherche etc.). Neben diesen formalen Aspekten erfolgten Hinweise und Tipps auf Organisation von selbstständigem Arbeiten und Zeitmanagement, zwei wesentliche Aspekte selbständig organisierten Lernens (SOL). Die Arbeit der Schülerinnen und Schüler konnte während der angesetzten acht Wochen immer (kritisch) begleitet werden und die Zusammenarbeit der Gruppe über „Teams“ funktionierte perfekt. Hier war der Lehrer nicht nur Lehrender, sondern auch Lernender, eine neue Erfahrung für beide Seiten, verbunden mit einem Win-Win-Effekt für alle Beteiligten. Das Ergebnis ist ein Buch, dessen Inhalt von einer Vertreterin des Kurses sowie Herrn Dickert gestaltet wurde.
Amira Büttner stellte ihre exzellente Hausarbeit mit dem für alle verbindlichen inhaltlichen Schwerpunkt „Der Zusammenfall des amerikanischen Traums“ zur Verfügung, Herr Dickert schrieb über interkulturelles Lernen und den in beiden Romanen zu findenden literarischen Schwerpunkt ‚fiction of memory‘.
Das Gesamtergebnis ist ein Werk mit rund 60 Seiten, das im Buchhandel und online zu erwerben ist. Herr Dickert selbst war von der Qualität aller eingereichten Arbeiten beeindruckt, von denen einige durchaus dem Niveau von universitären Hausarbeiten entsprachen.
Gewidmet ist das Gesamtwerk dem 2016 verstorbenen Studiendirekor Roland Krischke, der in seiner Tätigkeit am Grimmelshausen-Gymnasium Gelnhausen als Fachbereichsleiter I diese Schule durch seine Persönlichkeit und Fachkompetenz in einer Art und Weise geprägt und weiter entwickelt hat, die bis heute nicht übertroffen werden konnte.
Roland Krischke war es auch, der immer wieder darauf hinwies, dass der Lehrer seine Schüler an seinem Wissen teilhaben lassen soll, auch um somit umgekehrt immer wieder von seinen Schülern zu lernen – ein pädagogisches Prinzip, das in diesem Projekt umgesetzt werden konnte.