Zum Abschluss einer Unterrichteinheit zu Cornelia Funkes „Tintenherz“ hatte die Klasse 6.6 die Gelegenheit, mit der Germanistin, Historikerin und leidenschaftlichen Bücherfrau Simone Grünewald alte Bücher hautnah zu erleben – zu sehen, zu fühlen, zu riechen.
Schon um 8 Uhr, lang vor der regulären Öffnung des Gelnhäuser Stadtmuseums, wurde die Klasse dort empfangen und zunächst ins Untergeschoss geführt. Licht an! Da waren wir – in der Welt von Grimmelshausen – 400 Jahre in der Vergangenheit. Und wieder sind es Bücher – Tinte, Druck und Handschrift – die uns den Zugang in die längst vergangene Zeit ermöglichen.
So erfuhren die Kinder einiges über den Namenspatron ihrer Schule und Frau Grünewald war sichtlich begeistert, dass Carla ihre eben erschienene Neuerzählung des Simplicissimus bereits gelesen hat.
Erste Schätze holte Frau Grünewald aus ihrem Korb. Zunächst einen aus dem Abfall geretteten Zufallsfund. Daran demonstrierte sie den Wert alter, handgebundener Bücher und erläuterte das handwerkliche Geschick und die vielen, vielen komplizierten Arbeitsschritte, die einst notwendig waren, um ein Buch herzustellen. Am Beispiel selbst gefertigter Miniaturbücher demonstrierte die Museumsleiterin schrittweise, wie Bücher gebunden werden. Damit konnte die Klasse die Arbeitsweise von Mo, einer Hauptfigur aus der „Tintenwelt“, noch besser nachvollziehen und die Kostbarkeit von Büchern noch stärker wertschätzen.
Nach diesem praxisorientierten Einstieg führte uns Frau Grünewald ins Allerheiligste des Museums: Sie öffnete für uns die Vitrine, in der – hinter Sicherheitsglas – die Erstausgabe von Grimmelshausens „Simplicissimus“ aus dem Jahr 1669 aufbewahrt wird. Geschätzter Wert: ungefähr eine halbe Million Euro. Eines der ganz wenigen noch vorhandenen Exemplare. Alle durften diese kleine Kostbarkeit aus direkter Nähe betrachten und hineinriechen in diese alte Tintenwelt.
Mit dem „Ewig währenden Kalender“ von 1670 wurde uns ein Werk Grimmelshausens vorgestellt, mit dem er unsere Lesegewohnheiten völlig auf den Kopf stellt. Es wird nicht seiten-, sondern spaltenweise gelesen. Frau Grünewald erzählte uns, wie sie dies im Studium für sich erst einmal herausfinden musste, dass man das Buch fünfmal lesen muss, will man den gesamten Inhalt erfassen.
Zum Abschluss beschäftigten wir uns mit der Buchkunst des Mittelalters – Handschrift auf Pergament – und bewunderten das kostbare Faksimile des Evangeliars Heinrichs des Löwen aus dem 12. Jahrhundert. Das Original liegt in Wolfenbüttel. Aber auch das Faksimile in unserem Stadtmuseum ist eine Kostbarkeit – mit 12-fachem Druck auf Pergament und Farben, die sich stark am Original orientieren und von den besten Buchdruckern hergestellt. (Mo lässt grüßen.)
An diesem Vormittag ist Begeisterung für Bücher spürbar geworden und Faszination übergeschwappt.
Christine Bischoff