-„WiKi-Projekt“ am GGG-
“Hello! It’s exciting for me to write to you in English. I live in Gelnhausen, a small town in central Germany. While I am writing this I’m listening to music, which is one of my hobbies.” Auch so kann Englischunterricht aussehen – nicht in einer von einer Lehrkraft geschaffenen Unterrichtssituation, sondern mit „richtigen“ Englisch sprechenden Menschen und zwar mit Hilfe des Internets.
Schüler im jugendlichen Alter für den Englischunterricht zu begeistern ist nicht immer einfach. Diese Vorgehensweise kann dabei helfen. Deshalb soll sie in Zukunft am Grimmelshausen Gymnasium öfter zum Einsatz kommen soll.
Der Austausch findet dabei auf einer extra eingerichteten Internet-Plattform, einem so genannten „WiKi“ statt. Hat man die entsprechende Web-Adresse, kann man die Vorgänge einsehen, verfügt man zusätzlich noch über einen Zugangscode, kann man Einträge machen. Die Lehrkraft, die das WiKi eingerichtet hat, wird über alle Änderungen auf der Plattform per E-Mail unterrichtet und hat so eine vollständige Kontrolle über das, was geschrieben und veröffentlicht wird, und kann als einzige auch auf alle Einträge zugreifen, Unpassendes löschen oder Verbesserungsvorschläge machen.
Bei einem ersten Probelauf des Wiki-Projekts waren zwei Klassen am GGG beteiligt.
(Andrea Bechtold-Zwiener)
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Ein spannendes Projekt
Das GGG arbeitet international
Montag, 7.45 Uhr am Grimmelshausen Gymnasium. Die Schüler liegen mehr auf ihren Stühlen, als dass sie sitzen. Zwei Lehrerinnen betreten den Raum – hochmotiviert. „Good morning everybody!“ Die Klasse blickt verschlafen auf. Und dann die große Ansage: „Ab morgen starten wir ein neues Projekt!“ Ein missmutiges Raunen geht durch den Klassenraum.
Wer kennt das nicht? Sobald das Wort „Projekt“ fällt, steigen dunkle Gedanken in den Köpfen der Schüler auf und peinliche Erinnerungen der letzten Referate ziehen vor ihrem inneren Auge vorbei.
Aber dieses Mal kam es anders! Es handelte sich hierbei nicht um stundenlange Vorträge, sondern um eine Art E-Mail-Projekt mit gleichaltrigen Schülern zweier englischer Schulen. Eine davon, die „The Red Maid’s School“ (TRMS), in Bristol, die andere aus Barnard Castle / Nord-Ost England, die „Barnard Castle School“ (BCS). Letztere mutet optisch wie ein zweites Hogwarts an, mit dem entscheidenden Unterschied, dass es sich um eine früher reine Jungenschule handelt (so sind dort kaum Mädchen). Deswegen wurden die Engländer der BCS auch nur unseren männlichen Mitschülern zugewiesen. Dementsprechend hatte der weibliche Teil unserer Klasse mit den Schülerinnen der TRMS zu tun. Die Zuteilung der einzelnen Schüler übernahmen unsere Lehrerinnen.
Direkt zum Beginn des Projekts waren wir beide, um ehrlich zu sein, immer noch recht skeptisch. Schließlich hatten wir keine Ahnung, was bzw. wer uns auf der Internet-Plattform (Wiki) erwartete. Andererseits waren wir definitiv neugierig, denn so eine Chance bekommt man nicht alle Tage. Zudem war die Aussicht auf etwas Abwechslung im Unterricht durchaus verlockend.
Doch nun kommen wir endlich zum Internetprojekt an sich: Anfangs blieben unsere Mails sehr steif und formell. Würden Sie locker einer wildfremden Person über sich und ihr Leben erzählen, wenn die Mail auch öffentlich verfügbar ist? Wahrscheinlich nicht. Uns erging es genau so. Aber mit der Zeit gewöhnte man sich an die Gegebenheiten und bei den meisten lief es richtig gut, denn Interessen, Musikgeschmack, Charakterzüge etc. überschnitten sich oft miteinander.
Der eigentliche Sinn des ganzen Aufwandes war natürlich die Verbesserung unserer Sprachkenntnisse. Hierzu muss man sagen, dass die meisten Texte beinahe komplett rot markiert und korrigiert endeten. Eine Funktion des Wiki war die Möglichkeit, die Sätze beliebig verändern zu können. Im Klartext wurden wir aufgefordert, jegliche Fehler unserer englischen Partner zu berichtigen – und diese unsere. Die Schüler und Schülerinnen, denen wir zugewiesen wurden, hatten das Fach Deutsch an ihren Schulen belegt und schrieben uns deshalb auf Deutsch und wir ihnen auf Englisch. Wir, die Verfasserinnen dieses Artikels, haben eine der niedlichsten Aussagen der englischen Schüler herausgesucht:
Der Sachverhalt : Die Mutter brachte ein Argument gegen die Anschaffung eines Hundes vor. Das Zitat: „Aber meine Mutter sagt, dass ich werde nicht wandeln mit es.“ Na, was ist hier gemeint? Genau! Sie würde mit dem Hund nicht spazieren gehen. Wie kam sie bloß auf „wandeln“?… Wahrscheinlich lag es am Wörterbuch =). Inzwischen hat sich, zum Glück, einiges geändert. Beide Seiten haben deutlich dazugelernt.
Das, was am besten war, ist, dass wir neue Freunde gefunden haben. Außerdem lernten wir auf diese Weise eine Menge über das Leben der Schüler in England: welche Musik bei ihnen beliebt ist, welche Bücher angesagt sind, usw.
Alles in allem wünschen wir uns für die Zukunft öfter derartige Projekte. Trotz des hohen Zeitaufwands. Also, sehr geehrte Lehrer: Wagen Sie den Schritt! Sie werden sehen, dass auch die müdesten Schüler bei der Arbeit am Computer engagiert dabei sind und dadurch im Unterricht weiter kommen. Wir danken an dieser Stelle unseren Lehrerinnen Bettina Mähler und Andrea Bechtold-Zwiener und selbstverständlich unserem Wörterbuch.
Büsra Erbasaran, Lisa Köhler, ehemalige Klasse 9.6
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Ein Tag in der Red Maids Schule in Bristol
Zu Besuch bei der Partnerschule
Bristol. Red Maids School. 8.50h. Klassische Klavierklänge dringen aus der Aula, als ich hineingehe. Ein Lehrer spielt am Flügel, der vorne im Raum aufgestellt ist. Davor, auf dem Boden sitzend, eine Reihe Mädchen. Jetzt folgen die nächsten Gruppen, nach Klassen sortiert, alle in rotem Rock, weißer Bluse und rotem Pullover oder schwarzem Sakko, laufen nacheinander ein. Sie setzen sich in die Reihe dahinter, die nächsten kommen, bis alle Klassen platziert sind. In den drei hinteren Reihen, auf Stühlen, haben die Schülerinnen der Sixth Form, der Oberstufe, Platz genommen, das ist ihr Privileg.
Die stellvertretende Schulleiterin geht nach vorne, ergreift das Mikrofon, begrüßt alle, weist daraufhin, dass gleich, nach dem Singen der Hymne, ein Vertreter einer der Charity-Organisationen, der die Schule Geld zuweist, sprechen wird. Sie bittet alle aufzustehen. Keiner redet, keiner zappelt, keiner stört. Unglaublich. Solch eine Disziplin habe ich schon lange nicht mehr erlebt.
Der Eindruck setzt sich fort, als mir Alan Newman, der mich betreuende Lehrer, die Räumlichkeiten zeigt, lauter alte Gebäude aus verschiedenen Entstehungszeiten, alle in gutem Zustand. Verteilt sind sie in einem riesigen Grüngelände, mit Wiesen und Bäumen, mit zahlreichen Tennisplätzen und einem Sportfeld. In einer großen Ausstellungshallte stehen die Abschlussarbeiten der Schülerinnen, die Malen als Fach in der 11. und 13. Klasse belegt hatten. Nebenan hängen die von den Mädchen genähten Kleider, auch Examensprodukte. Die Ergebnisse sind beeindruckend.
Es ist 11 Uhr, „meine Klasse“ findet sich zum Deutschunterricht ein. „Mein“ meint die Klasse, mit der die neunte Englischklasse, die ich zusammen mit Frau Bechtold-Zwiener unterrichte, in einem internationalen Emailprojekt seit Februar dieses Jahres zusammen arbeitet. Da sitzen sie, die Mädchen, von denen ich bislang nur den Namen kannte. Der Unterricht beginnt, Alan Newmann fragt nach dem deutschen Schulsystem, unterstützt von einem im Raum fest installierten Computer weisen die Mädchen den deutschen Phrasen englische Entsprechungen zu. Auf dem Whiteboard ist es nur ein Klick, bis der Text passt. Danach dürfen die Mädchen mir Fragen stellen, die ich auf Deutsch beantworte. Sie haben ein wenig Angst, Fehler zu machen, das merkt man, aber es dauert nicht lange, und sie wollen viele Einzelheiten vom Grimmelshausen Gymnasium wissen , wie lange die Stunden und die Pausen dauern, wie viele Schüler wir haben, ob wir wirklich keine Uniform tragen müssen … Dann darf ich zurückfragen, mich interessiert vor allem, wie die Schülerinnen ihre Schule finden. Die Antworten sind eindeutig, es gefällt ihnen gut an ihrer Schule. Nur dass sie kein Makeup tragen dürfen, das mögen sie nicht.
Die Stunde endet mit einem Wunsch der Mädchen: Sie möchten ihre Emailpartner kennen lernen. Diesen Wunsch haben auch schon die deutschen Schüler geäußert. Und zwar nicht nur diejenigen der Klasse 9.6., sondern auch diejenigen der Klasse 8.6 unter Leitung von Matthias Dickert, die mit einer weiteren Klasse von Alan Newmann ebenfalls ein solches Projekt durchführt. Auch diese Klasse konferiert mit ihren Partnern auf einer Wiki-Platform, die die Lehrer hierfür kreiiert haben. Je zwei deutsche Schüler haben ein bis zwei englische Schüler als Partner, jedes internationale Pärchen oder Trio hat eine eigene Seite. Hierauf schreiben sie seit Februar bzw. April über sich selber, über ihre Schule, über Gelnhausen bzw. Bristol, über Medien und Bücher. Alle benutzen beide Sprachen, die jeweiligen Muttersprachler korrigieren die Gegenseite – nicht die beteiligten Lehrer, die sind die Impulsgeber. Einige der Schüler haben private Kontakte geschlossen, sie kommunizieren über private Emails oder über Facebook. Doch das Kennenlernen fand auf dem Wiki statt.
„Ein solches Projekt ist ein Austausch der Zukunft“, meint Schulleiter Friedrich Bell dazu. Es ist technisch einfach realisierbar, alle Schüler einer Klasse können daran teilnehmen, sie lernen genau das, was heutzutage in allen Berufen gefördert wird: schriftliche Kommunikation auf Englisch. Und Wissenschaftler und Ökonomen sind sich einig: Email ist hierbei das wichtigste Kommunikationsmittel, ob innerbetrieblich oder weltweit.
Bleibt der Wunsch nach einem Kennenlernen. Denn so wie das Projekt begann – schreiben wir „wirklichen Menschen?“, fragte ein Schüler -, so soll es auch enden: in einem Kennenlernen von Angesicht zu Angesicht. Die englischen Klassen planen eine Reise nach Deutschland, oder genauer nach Gelnhausen. Sie wollen das GGG sehen. Und „ihre“ Partner.
Bettina Mähler, Grimmelshausen Gymnasiun Gelnhausen