Austauschprogramme am Grimmelshausen-Gymnasium bringen Schülern neue Einblicke
Pause im Grimmelshausen- Gymnasium Gelnhausen. Eine kleine Gruppe Schülerinnen steht kichernd um das Smartphone, das eines der Mädchen aus der Tasche gefriemelt hat. Nichts Besonderes, wäre es nicht eine ziemlich internationale Gruppe, die sich da gefunden hat. Cathleen Geisler (16) aus Großenhausen und Alina Gall (16) aus elnhausen stecken ihre Köpfe mit Katarina Wasielewski (16) aus Edmonton in Kanada und Julia Beuón (17) aus Bogotá in Kolumbien zusammen. Die vier teilen ihre Erfahrungen während eines Schüleraustauschs. Cathleen und Alina haben ihn schon hinter sich, Katarina und Julia stecken gerade mitten drin. Sie verbindet mehr, als sie trennt. „Wir sind uns sehr ähnlich. Jugendliche eben“, sagen die vier mit einem Schulterzucken.
Vorbehalte gegenüber anderen Kulturen scheinen die jungen Frauen nicht zu haben. Und wenn, dann werden sie durch Neugierde und Wissensdurst überdeckt. Denn Schüleraustausche verfolgen einige klar gesteckte Ziele, wie Schulleiter Friedrich Bell betont. „Nicht nur die Schüler selbst, die gesamte Schule profitiert von den Austauschen.“ So werden die Austauschschüler, die ans „Grimmels“ kommen, in den normalen Schulunterricht integriert. Das bedeutet zwar, dass Julia etwa nicht mit den Schülern der Jahrgangsstufe E – der Orientierungsphase der Oberstufe – in den Deutschunterricht geht, sondern eine fünfte Klasse besucht. In vielen anderen Fächern aber werden an sie die gleichen Anforderungen gestellt wie an ihre gleichaltrigen Mitschüler.
Katarina hat da weniger Probleme. Ihr Vater ist in Deutschland geboren, sie spricht ihre „Vatersprache“ fließend. „Ich bin froh, dass ich an dem Austausch mitmache. Es ist schön, mit Cathleen und ihrer Familie und hier in der Schule deutsch zu sprechen.“ Genau das will Julia erst noch lernen. Zwar besucht sie in Bogotá die deutsche Schule, geht aber in eine rein kolumbianische Klasse – daher ist die Unterrichtssprache dort Englisch. Sie versteht schon sehr viel, traut sich aber noch nicht so richtig, selbst deutsch zu sprechen. Auf Englisch bestätigt sie, was schon Katarina, Cathleen und Alina als besonders spannend am Austausch beschreiben. „Wir bekommen so viele neue Eindrücke. Das Interesse für andere Länder wird geweckt.“
Cathleen hat im vergangenen Herbst drei Monate in Kanada in Katarinas Familie verbracht, hat dort die Schule besucht. Eine spannende Zeit. „Es war aber nicht einfach, wieder nach Hause zu kommen“, sagt die Großenhäuserin. Ähnlich erging es Alina, die mehrere Monate in Australien verbrachte. „Als ich zurückkam, hatte ich gerade so viel erlebt. Das hat nicht jeder verstanden. Das soll nicht vorwurfsvoll klingen. Denn zu Hause vergehen drei Monate wie im Flug.“ Die Freunde der beiden ehemaligen Austauschschüler hatten hier ihren Alltag, während die beiden tagtäglich Neues und Unbekanntes entdeckten. Wieder im Alltag anzukommen, hat eine Weile gedauert. „Aber nach zwei, drei Wochen waren wir wieder mittendrin“, sagen die beiden 16-Jährigen.
Sie können sehr gut verstehen, dass Katarina und Julia zurzeit sehr viel erleben. Obwohl die beiden Besucher aus Amerika nicht das erste Mal unterwegs sind. Katarina hat lange mit ihrer Familie in Südafrika gelebt, ist dort aufgewachsen. Julia stammt ursprünglich aus Brasilien. Beide haben, trotz ihrer jungen Jahre, schon viel gesehen. Je weiter ihr Horizont aber wird, desto größer wird auch die Neugierde, immer mehr zu erleben – wieder eine Gemeinsamkeit mit ihren deutschen Austauschpartnern. So kann sich Cathleen durchaus vorstellen, nach dem Abitur im Ausland zu arbeiten. Ein Auslandsjahr – entweder während des Studiums oder direkt nach der Schule – sei für beide deutschen Mädchen ohnehin gesetzt. „Da werden wir uns schon drum kümmern“, sagen sie lachend. Die vier jungen Frauen sind offen für Neues. Ihr Horizont endet nicht an den Grenzen ihrer Heimatländer. Das zeigen sie mit jeder Geste. Für Berührungsängste sind sie sich zu ähnlich. Ihre Interessen, ihr Musikgeschmack, ihre Hoffnungen und Ängste gleichen sich. Warum also Vorurteile pflegen?
Genau darin liegt für Friedrich Bell und Hans Passmann, den Koordinator der Schüleraustausche, der Sinn dieser Projekte. Der Kontakt zu anderen Kulturen solle Ressentiments abbauen und den Dialog fördern. Daher bietet das Grimmelshausen-Gymnasium eine Vielzahl an verschiedenen Austauschprogrammen an. Cathleen Geisler etwa besuchte im Rahmen des Deutsch-Kanadischen Austauschprogramms die hessische Partnerregion Alberta. „Immer abwechselnd mit dem Austausch mit Wisconsin in den USA senden wir jährlich Schüler nach Nordamerika“, sagt Passmann. Diese beiden Programme würden hessenweit organisiert, das Gelnhäuser Gymnasium bewirbt sich jährlich um einen der begehrten Plätze – meist mit Erfolg. Die Schüler müssen dabei einem gewissen Leistungsstand entsprechen. Denn nach dem mehrmonatigen Aufenthalt an der Partnerschule geht der Unterrichtsalltag zurück in Gelnhausen nahtlos weiter. Bei Cathleen Geisler hat das gut funktioniert. Sie hat den Anschluss bekommen. Auch daher kann sie nur jedem empfehlen, sich ebenfalls um einen Austausch zu bemühen. „Es lohnt sich“, sagt sie strahlend. Julia, Katarina und Alina nicken. Keine Einwände.
Quelle: „GNZ“ 17.5.2013