Die Theater AG des Grimmelshausen-Gymnasiums zeigte in diesem Schuljahr eine eigenwillige Version des „Woyzecks“ von Georg Büchner. Die Produktion wurde an zwei Abenden in der Aula des Grimmelshausen-Gymnasiums der Öffentlichkeit präsentiert: Freitag, 19.Mai, und Samstag, 20.Mai. Die Produktion wurde darüber hinaus schon vorab von einer Jury für die Hanauer Schultheatertage ausgewählt und wird daher noch einmal am 21.Juni im Comoedienhaus in Hanau/Wilhelmsbad um 14.00 Uhr aufgeführt werden.
Georg Büchners Drama „Woyzeck“ ist nur in fragmentarischer Form überliefert. Der Autor hat wahrscheinlich vom Sommer 1836 bis zu seinem frühen Tod am 19.Februar 1837 in Zürich am „Woyzeck“ gearbeitet, vor allem inspiriert durch die juristische Debatte um den Fall des ehemaligen Soldaten und Gelegenheitsarbeiters Johann Christian Woyzeck, der aus Eifersucht seine Geliebte erstach und 1824 dafür in Leipzig öffentlich hingerichtet wurde. Die Szenenfolge und der Handlungsverlauf des „Woyzeck“ lässt sich auf der Basis der von Büchner überlieferten Textfragmente nicht mehr klar rekonstruieren. Vor allem fehlt der Schlussteil des Dramas. Aus diesem Grund muss jeder, der den „Woyzeck“ auf die Bühne bringen will, eine eigene Vorstellung vom szenischen Verlauf des Dramas entwickeln. Revolutionär an Büchners „Woyzeck“ ist, dass im Mittelpunkt der Handlung ein „Pauper“ steht, ein Mensch, der der untersten gesellschaftlichen Schicht angehört. Um sich, seine Geliebte und sein uneheliches Kind ernähren zu können, muss Woyzeck nicht nur seine Arbeitskraft, sondern auch seinen Körper verkaufen. So verdingt er sich als Versuchskaninchen für die fragwürdigen medizinischen Experimente eines Doktors. Als Woyzeck schließlich von seiner Marie, seiner Geliebten, betrogen wird, verfällt er vollends seinen Wahnvorstellungen, die sich schon zuvor angekündigt hatten. Auf einem einsamen Feld ersticht er schließlich Marie.
Büchner zeigt, wie ein Mensch zum Spielball und Opfer der gesellschaftlichen Verhältnisse wird, denen er unterworfen ist. Büchner ist damit der erste Autor des europäischen Theaters, bei dem im Mittelpunkt der Handlung nicht ein autonomer, frei handelnder Held steht, sondern Figuren, die in ihrem Handeln gesellschaftlich determiniert sind. Der Doktor, der Hauptmann, Woyzeck und Marie verkörpern keine Charaktere, sondern stehen für gesellschaftliche Schichten und Gruppen und den Zwängen, denen diese Gruppen und Schichten unterworfen sind. In der szenischen Umsetzung der Theater AG wird dies durch die Aufsplittung zentraler Figuren auf mehrere Spieler, durch eine ritualisierte, durchchoreographierte Bewegungssprache hervorgehoben. In klaren, starken Bildern sollen Woyzecks Wahnvorstellungen illustriert werden. Als ein weiteres Mittel greift die Theater AG auf den Einsatz von Musik zurück, die dem Spiel Rhythmus und Atmosphäre geben soll.
Die Theater AG des GGG hat sich bei der Umsetzung des „Woyzeck“ nicht an der traditionellen Rezeption des Stücks orientiert, die Büchners Dramenfragment als Vorreiter eines realistischen bzw. naturalistischen Theaters sieht (wie es um 1900 von F.Wedekind, G.Hauptmann und H.Ibsen verkörpert wurde). In der szenischen Fassung der Theater AG wird vielmehr das Groteske und Karikaturenhafte hervorgehoben, das vor allem in den Szenen mit dem Hauptmann und dem Doktor deutlich wird. Wie in seinem eher traurigen als lustigen Lustspiel „Leonce und Lena“ hat Büchner auch im „Woyzeck“ auf den Formenschatz der Romantik zurückgegriffen. So werden in zahlreichen Stellen des Dramas die Märchen der Brüder Grimm zitiert. Vor allem Andres und Marie stimmen immer wieder Volkslieder an, ein bei allen Romantikern beliebtes lyrisch-musikalisches Genre. Angesichts der sozialen und geistigen Not vor allem von Marie und Woyzeck werden die in diesen Märchen und Liedern enthaltenen Trostbotschaften jedoch von Büchner ironisch entlarvt.