Intensive und herausfordernde zwei Tage erlebte die Projektgruppe „Facts not fiction“ des Grimmelshausen-Gymnasiums am 13. und 14.3.2025 zusammen mit der Berliner Künstlerin Hannah Brinkmann sowie Marlene Jatsch und Lilja Girgensohn von den Arolsen Archives.
Der erste Tag stand ganz im Zeichen der kreativen Heranführung an den Produktionsprozess von Grafic Novels. Zunächst wurden Partnerinterviews zur Auseinandersetzung mit Lotte Sondheimer geführt, dann sechs Portraits gezeichnet (49 sec, 30 sec, 15 sec, mit nicht bevorzugter Hand, ohne Blick aufs Blatt, mit geschlossenen Augen), dann sechs Emotionen gemalt und zum Schluss sechs Sätze aufgeschrieben. Daraus gestalteten die Jugendlichen dann ihre ersten Panels und es ist beeindruckend, wie dicht und aussagekräftig die so entstandenen Werke sind. Hannah würdigte jedes einzelne Ergebnis durch sehr wertschätzendes Feedback, mit dem sie auf Formen der Bildsprache in Grafic Novels einging.
Im zweiten Teil arbeiteten die Recherchegruppen gemeinsam an Emotionspuzzles zu Lottes Kindheit und Jugend in Gelnhausen, ihrer Zeit in Offenbach & München, den Jahren in Paris, der Gefangenschaft im Lager Gurs & ihrer Deportation nach Auschwitz und der Suche nach Lotte nach 1945.
Am späten Nachmittag trafen sich einige Teilnehmende zur Eröffnung der Containerausstellung „Stolen Memory“, mit der die Arolsen Archives vor dem Main-Kinzig-Forum über Effekte an Menschen erinnern, denen diese in Konzentrationslagern weggenommen wurden. Die Rückgabe dieser Gegenstände ist ein bedeutsames Arbeitsfeld der Arolsen Archives.
Leonie Strobel, Grimmels-Schülerin der Jahrgangsstufe 10 und engagierte Teilnehmerin des Projekts, umrahmte die Eröffnungsveranstaltung musikalisch. Sie sang auf sehr berührende Weise „Heal the world“ von Michael Jackson und „Imagine“ von John Lennon.
Die Botschaft dieser Lieder begleitete die Jugendlichen bei ihrer Auseinandersetzung mit Lotte, die so offen, reiselustig und vielseitig war, die ihre Ziele offenbar so mutig verfolgt hatte, die, nachdem deutsche Universitäten keine jüdischen Studenten mehr zuließen, einen Studienplatz an der Sorbonne in Paris bekommen hat, die ihren ägyptischen Kommilitonen Hamid Dawaklih geliebt hat und mit ihm von einem Leben geträumt hat – in Paris, Gelnhausen oder Kairo oder sonst wo auf der Welt und die selbst im Lager Gurs Theater gespielt hat, gegen Tod und Verzweiflung. Wie schön wäre es, hier noch genauere Quellen zu haben – ihre Gedanken lesen zu können. Im Storyboard, das am zweiten Projekttag entstand, versuchten die Jugendlichen Lotte in ihren Panels lebendig werden zu lassen – mit reflektiertem und quellenkritischem Blick.
Die Betroffenheit darüber, dass Lotte, obwohl sie Deutschland so früh verlassen hatte, die Flucht vor den Nazis nicht gelungen ist, war zu spüren und auch die Besorgnis darüber, dass heute, 2025, wieder Stimmen laut werden, die Ausgrenzung propagieren und eine weltoffene, vielseitige und demokratische Gesellschaft gefährden.
Mit den Ideen der Grimmels-Schülerinnen und -Schüler im Gepäck reiste Hannah Brinkmann am Freitagnachmittag wieder zurück nach Berlin. Wir sind gespannt darauf, wie sie diese umsetzen wird.
Reisen stehen auch für einige Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer an. Anna Pleyer und Amelie Wiesbrock werden unser Projekt „Looking for Lotte“ auf der internationalen Euro-Clio-Tagung in Bratislava vorstellen und an verschiedenen Workshops teilnehmen.
Marie Bischoff, Hadya Shalizai, Leonie Strobel, Julia Grottke, Felix Ortmann und Maike Jansen werden mit Andrea Diallo und Mario Meininger zur Gedenkveranstaltung „80 Jahre Befreiung des KZ Ohrdruf“ fahren und auch dort das Projekt vorstellen.
Christine Bischoff