Latein – Mehr als: „Per aspera ad astra!? 1” oder: „Durch das Steinige zu den Sternen!?“ Wir, die Fachschaft Latein des Grimmelshausen-Gymnasiums Gelnhausen, möchten allen Lesern unserer Internetseiten mit dem folgenden Überblick einige erste Informationen über unser Unterrichtsfach im allgemeinen, über den Nutzen von Lateinkenntnissen in der heutigen Zeit und über die Organisation des Lateinunterrichts an unserer Schule anbieten. Dabei wenden wir uns speziell auch an Schüler und Eltern von Schülern der fünften Jahrgangsstufe, die vor der Wahl einer zweiten Fremdsprache stehen und sich über die entsprechenden Möglichkeiten an unserer Schule orientieren möchten. |
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I) Ab Iove principium 2 oder: Latein – Was ist das überhaupt? Die lateinische Sprache gehört zur Familie der sogenannten indogermanischen oder indoeuropäischen Sprachen. Sie war ursprünglich der Dialekt des italischen Stammes der Latiner in der Landschaft Latium (Lazio), deren Mittelpunkt Rom wurde. Mit ihrer gewaltigen Expansion verbreiteten die Römer als „Nebeneffekt“ allmählich auch ihre Sprache, sodass Latein schließlich – neben weiterhin bestehenden regionalen Sprachen – Amtssprache in fast ganz Europa wurde. Ihre Blütezeit erreichte die lateinische Sprache im 1. Jahrhundert vor Christus, als ihr Schriftsteller wie Cicero und Vergil ein Gepräge verliehen, das noch immer als mustergültig gilt und auf verschiedenste Weise letztlich bis in die Gegenwart nachwirkt. |
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Nach dem endgültigen Untergang des römischen Reiches im 5. Jahrhundert liefen parallel weitere Prozesse ab, die für unsere Gegenwart von entscheidender Bedeutung sind: Auf der einen Seite blieb Latein die Verkehrssprache gebildeter Kreise, beispielsweise in den Feldern Literatur, Wissenschaft, Kirche und Politik. Hier kommunizierte man noch über viele Jahrhunderte hinweg weiterhin mittels der lateinischen Sprache; Latein diente also als Medium für Gedanken unseres „Weltkulturerbes“ und beeinflusste auf diese Weise zugleich die gesamteuropäische Geistesgeschichte entscheidend. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Auf der anderen Seite entwickelten sich in dieser Zeit aus dem Lateinischen als Wurzel allmählich als Abkömmlinge die heutigen sogenannten romanischen Sprachen, also beispielsweise Italienisch, Französisch, Spanisch oder Portugiesisch. Aber auch andere europäische Sprachen wie Deutsch und Englisch, die nicht unmittelbar von Latein abstammen, erhielten durch diese Sprache entscheidende Impulse (s.u.). | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wenn man sich diese gesamte Entwicklung vergegenwärtigt, wird sicher deutlich, dass Latein – auch wenn es nicht mehr gesprochen wird – nichts weniger als eine wesentliche Wurzel unserer heutigen europäischen Kultur und Tradition ist. Wer sich mit Latein beschäftigt, wendet daher den Blick in die Zukunft: Er sieht mehr als nur das Heute und begreift sich als Teil einer Entwicklung. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
II) Cui bono? 3 oder: Was geht uns Latein heute noch an? Zunächst muss man vorausschicken, dass die Frage, ob man Latein oder eine moderne Sprache als zweite Fremdsprache in der Schule lernen möchte, immer eine persönliche und individuelle Entscheidung bleibt; hier ist es folglich angebracht, sich zuvor zu informieren und sich gegebenenfalls beraten zu lassen (siehe „Information zur Wahl der zweiten Fremdsprache“).Darüber hinaus ist es im Sinne eines traditionellen gymnasialen Gedankens, wenn man Latein und die modernen Fremdsprachen als sich sinnvoll ergänzende Seiten einer gemeinsamen Medaille begreift: Der Sprachenunterricht soll gerade an einem grundständigen Gymnasium ein möglichst mehrdimensionales Angebot sein, das verschiedene Fähigkeiten der Schüler anspricht, aufgreift und ausbildet. Nur so können unterschiedliche Begabungen individuell gefördert werden. Diesem bewährten Konsens fühlt sich auch die Fachschaft Latein des GGG zutiefst verpflichtet. Was spricht nun aber auch heute noch dafür, Latein in der Schule zu lernen? |
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b) Rem tene, verba sequentur! 5 oder: Latein schult sprachliche Fähigkeiten! Wer eine fremde Sprache lernt, wird immer mit dem systematischen Aufbau dieser Sprache, also ihrer Grammatik, konfrontiert werden. Das bringt den Lerner dahin, sich auch mit seiner eigenen Muttersprache intensiver auseinanderzusetzen, weil man nun unter anderem über neue Zugriffe, andere Einblicke und über eine Vergleichsmöglichkeit verfügt. Latein ist für eine solche, intensive Spracharbeit besonders gut geeignet, da die lateinische Grammatik sehr präzise ist und einige Gemeinsamkeiten, aber auch ganz signifikante Unterschiede mit z.B. der deutschen Grammatik aufweist. Zudem kommt es im Lateinunterricht nicht auf Masse an, ganz im Gegenteil: Latein lässt bewusst Zeit, man verweilt häufig lange an einzelnen Sätzen und ist aufgefordert, sie mehrfach zu durchdenken und zu „dekodieren“. Auf diese Weise wird man beim Erlernen von Latein in hohem Maße für Sprache sensibilisiert und verbessert auch die eigenen Deutschfähigkeiten. Dies ist ein ganz wesentlicher Effekt, da sprachliche Fähigkeiten für jeden von uns – ganz gleich, welche Ausbildung oder welches Studium man auch anstrebt – wichtige Schlüsselqualifikationen sind. |
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c) Nullum est iam dictum, quod non dictum sit prius! 6 oder: Latein ist Basis vieler moderner Fremdsprachen! Bedeutende europäische Sprachen sind im Laufe der Zeit aus der Sprache der Römer hervorgegangen. Diese Sprachen fasst man daher heute mit dem Begriff „romanische Sprachen“ zusammen. Hierzu zählen neben Italienisch insbesondere auch Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Rumänisch. Sie bilden eine Familie, weil ihre jeweiligen Grammatiken sich untereinander stark ähneln und sie darüber hinaus signifikante Übereinstimmungen mit der lateinischen aufweisen. Aber auch im Bereich ihrer Vokabeln, im sogenannten lexikalischen Teil, lassen diese Sprachen deutliche Parallelen erkennen, wie die untenstehende Tabelle zeigen soll: |
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Bei der modernen Weltsprache Englisch handelt es sich, wie auch bei Deutsch, nicht um einen direkten Abkömmling von Latein. Dennoch ist auch hier der Einfluss des Lateinischen unverkennbar, da sich etwa die Hälfte des englischen Wortschatzes auf lateinische Wurzeln zurückführen lässt und auch bei Englisch das Denken in grammatischen Kategorien durch Lateinkenntnisse erleichtert wird. Aufgrund dieser Tatsachen ist es leicht verständlich, dass man mit soliden Lateinkenntnissen in aller Regel einen Startvorteil beim Erlernen einer modernen Fremdsprache haben wird. Eine solche gemeinsame Basis der europäischen Sprachen in Form von Latein wird auch von den jeweiligen Fachwissenschaftlern und Fachdidaktikern anerkannt. An den Universitäten kommt dies beispielsweise dadurch zum Ausdruck, dass für das Studium praktisch aller modernen Fremdsprachen Latein eine formale Voraussetzung ist und auf absehbare Zeit bleiben wird. |
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d) Dimidium facti, qui coepit, habet! 7 oder: Latein ist Voraussetzung für viele Studienfächer! Auch ein ganz praktischer Grund für Latein als schulische Fremdsprache liegt auf der Hand: Latein bereitet in mehrfacher Hinsicht auf ein mögliches späteres Universitätsstudium vor. Schon rein formal sind nämlich das Latinum oder Lateinkenntnisse nach wie vor Voraussetzung für zahlreiche Studienfächer. Zwar ist es auch möglich, sich solche Kenntnisse auf der Universität selbst in entsprechenden Kursen anzueignen; dies ist aber häufig mit größeren Anstrengungen als in der Schule verbunden und kostet zudem nicht selten wertvolle Studienzeit.Neben dieser Tatsache bleibt jedoch auch zu berücksichtigen, dass Latein – wie oben kurz ausgeführt – über viele Jahrhunderte die Fundamentalsprache der Wissenschaften gewesen ist. Dies ist keineswegs ein Zufall, denn Latein schult analytische und kombinatorische Fähigkeiten, Kritikfähigkeit und Urteilskraft, das logische Denkvermögen, sprachliche Kreativität, Genauigkeit und vieles mehr, was für eine erfolgreiche Studierfähigkeit unentbehrlich ist. Die Wissenschaften haben sich also über unzählige Generationen hinweg mit Latein einer Sprache bedient, die gerade wegen ihrer Präzision besonders geeignet schien, fachliche Inhalte zu transportieren, und es ist unzweifelhaft ein Vorteil, wenn man diese Sprache auch heute noch beherrscht. Schließlich sind auch viele Fachbegriffe in nahezu allen Wissenschaften dem Lateinischen entlehnt, sodass man sich ungleich schneller in einen Fachjargon einarbeitet, wenn man über die entsprechenden sprachlichen Kenntnisse verfügt. III) Cum grano salis! 8 oder: Wie ist der Lateinunterricht am GGG organisiert? Latein kann als zweite Fremdsprache ab der sechsten Jahrgangsstufe (bzw. ab dem Schuljahr 2021/22 für alle neuen Fünftklässler erst ab der 7. Jahrgangsstufe) gewählt und gelernt werden. Unsere Schule bietet in diesem Kontext einen zentralen Informationsabend zur Wahl der zweiten Fremdsprache an. Darüber hinaus erhält man zusätzliche Beratung natürlich auch über Klassen- und Fachlehrer. Das Latinum als Qualifikation wird nach fünf Schuljahren bescheinigt, also nach der E-Phase, sofern diese mit mindestens fünf Punkten abgeschlossen wird. Dabei wird seit den 1970er Jahren nicht mehr zwischen großem und kleinem Latinum unterschieden. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, Latein fortzusetzen und bis zum Abitur zu belegen. Natürlich kann dann auch das Abitur selbst im Fach Latein (schriftlich oder mündlich) abgelegt werden. Der eigentliche Unterricht gliedert sich in zwei größere Abschnitte, und zwar in eine Lehrbuch- und eine Lektürephase. Während der Lehrbuchphase, die mit dem 8. Schuljahr (bzw. 9. Schuljahr) abgeschlossen wird, steht der Spracherwerb im Mittelpunkt des Unterrichts. Hierbei ist das Hauptarbeitsmittel unser gegenwärtiges Lehrwerk „Pontes“ (Klett Schulbuchverlag). Er gliedert sich in zahlreiche Lektionen und ist in Analogie zu einer modernen Lateindidaktik aufgebaut, verbindet also fortlaufend Lektüretexte, Übungsmaterialien, Informationstexte und Abbildungen miteinander, die stets sowohl sprachliche Kompetenzen als auch kulturelle Aspekte vermitteln. Zum Ende leitet Pontes eine Übergangslektüre ein, die den Schritt zur zweiten Phase des Unterrichts erleichtern soll. Im Ergebnis sollen dann die lateinische Grammatik weitgehend bekannt und ein Basiswortschatz aufgebaut sein. Die zweite große Phase des Lateinunterrichts beginnt im 10. Schuljahr mit der Übergangs- und Originallektüre, also dem Lesen antiker Autoren wie Caesar, Nepos, Cicero, Sallust, Ovid oder Vergil. Die Originallektüre verfolgt zwei wichtige Absichten: Zum einen soll sie die in der Lehrbuchphase erworbenen sprachlichen Fähigkeiten vertiefen und ausbauen; zum anderen geht es nun darum, sich mittels spezieller Kursthemen auch inhaltlich mit den Gedanken der antiken Texte auseinanderzusetzen und insbesondere ihre Bedeutung für unsere heutige Welt zu erarbeiten. Jenseits des regulären Unterrichts besteht am GGG ferner die Möglichkeit, an schulinternen Vokabelwettbewerben teilzunehmen. Weiterhin kann Latein auch als Sprache für den Bundeswettbewerb Fremdsprachen angewählt werden. Wir, die Fachschaft Latein des GGG, hoffen sehr, dass dieser Überblick hilfreich bei einer ersten Orientierung zum Fach Latein im allgemeinen und speziell an unserer Schule gewesen ist. Wir sind davon überzeugt, dass Lateinlernen auch in einer globalen Gesellschaft seinen Stellenwert hat. Es bietet einen Reichtum an Kulturwerten, der in dieser Form einzigartig ist. Wir, die Kollegen der Fachschaft Latein, wollen diese Werte und Fähigkeiten an die Schüler weitergeben. Sollten weitere Fragen bestehen, stehen wir gerne zur Verfügung! |
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In jedem Fall wünschen wir allen Lesern: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem! 9 |
1 Nach Sen. Herc. f. 437.
2 Verg. ecl. 3, 60: Von Jupiter sei der Anfang genommen.
3 Cic. Rosc. 84: Wem zum Vorteil?
4 Verg. georg. 2, 490: Glücklich ist, wer der Dinge Grund erkennen konnte.
5 Cato Fragm. p. 80, 2 Jordan: Beherrsche die Sache, dann werden die Worte schon folgen!
6 Ter. Eun. 41: Es gibt kein Wort mehr, das nicht schon früher gesagt wurde.
7 Hor. epist. I, 2, 40: Die Hälfte hat, wer begonnen hat.
8 Nach Plin. nat. 23, 77, 149: Mit einem Körnchen Salz, d.h. mit etwas „Pfiff“!
9 Nach Jes. Sir. 7, 40: Was auch immer du tust, mache es klug und bedenke das Ende!