Ungewöhnliches Gepäck hatte die Referentin Silva Rosa Krämer am 29. Oktober mit an das Grimmelshausen-Gymnasium gebracht: einen Rollstuhl, Blindenstöcke, diverse Brillen, Gewichte, seltsame Memories, Ohrschützer und ein merkwürdiges Alphabet. Und es dauerte auch nicht lange, bis alle Schüler des CoCoClubs probieren durften, wofür die Gegenstände gedacht waren.
Denn ganz schleichend oder von einem Tag auf den anderen kann das Leben anders sein als vorher. Man kann nicht mehr laufen, die Beine sind schwer, das Sehen ist eingeschränkt oder man ist taub oder blind.
Eigentlich waren die Experimente Teil des „Sensibilisierungstrainings Alter“, das den Jugendlichen helfen sollte zu verstehen, mit welchen Einschränkungen die Senioren leben, die sie regelmäßig besuchen. Aber die Referentin belehrte sie eines Besseren: „Ich hatte einen Unfall und musste zwei Jahre im Rollstuhl sitzen.“ Und sie selbst habe zudem weitere Behinderungen, mit denen sie durch viel Selbstdisziplin gelernt habe zu leben.
Die Jugendlichen waren erstaunt, denn eine junge Mutter stand vor ihnen, die nun engagiert aufforderte: „Probiert alles aus!“ Es dauerte eine Weile, bis sich alle ohne Irritation auf die Aufgabe einließen. Aber dann fuhren die Jugendlichen mit dem Rollstuhl durch die Schule, und eine Schülerin stellte fest, dass sie die Rampe im neuen Gebäude noch nie wahrgenommen habe, aber sie gut bewältigen könne. Gleichzeitig war die Bewegung mit dem Rollstuhl mühsam, musste erst geübt werden, insbesondere im Klassenraum mit Tischen und Stühlen als Hindernissen.
Viele versuchten, sich mit verbundenen Augen und Blindenstock zu orientieren, wobei sie merkten, dass es hilfreich war, wenn ein Sehender half. Noch schwieriger wurde die Aufgabe, wenn der Ohrenschutz das Hören verhinderte. Anschließend saßen die Jugendlichen beim Fühl- und Geräusche-Memory, bei dem blind gleiche Materialien gefühlt und gehört werden sollten. Auch die Blindenschrift (Braille-Schrift) verwunderte: Wie lässt sich diese in einem vernünftigen Tempo lesen?
Noch schwieriger empfand eine Schülerin das Sehen mit Einschränkungen mit Brillen für die Simulation des Grauen Stars, des Grünen Stars, der Netzhautablösung und Makuladegeneration: „Wenn man den Sinn Sehen ganz ausschaltet, ist es fast einfacher.“ Wobei alle am Ende konstatierten, dass sie das Blindsein als größte Bedrohung sähen: „Mit dem Rollstuhl kommt man noch überall hin, kann noch sehen und hören.“
Bei der Schlussrunde bilanzierte ein Schüler noch etwas anderes: „Jetzt weiß ich, wie sich meine Großeltern fühlen. Sie sind immer so langsam. Wir müssen immer warten. Aber mit den Gewichten an den Beinen und an Bauch und Rücken war es sehr mühsam zu gehen.“
Beim nächsten Besuch werden die Jugendlichen des CoCoClubs nun noch besser wissen, wie viel Energie es die Senioren kostet, zu den regelmäßigen Treffen im Colemancenter zu kommen.
Die Referentin Silva Rosa Krämer arbeitete an diesem Tag – wie an vielen anderen – übrigens ehrenamtlich, und zwar für den VdK e.V. (Sozialverband VDK Hessen Thüringen), vermittelt über die Ehrenamtsagentur des Main-Kinzig-Kreises. Sie selbst, so berichtet Silva Rosa Krämer der Leiterin des CoCoClubs, Bettina Mähler, sei durch einen Infostand auf den Verband aufmerksam geworden. Da sei sie noch Schülerin gewesen, so wie alle Anwesenden.