Originale Handschriften von Napoleon über Queen Victoria bis zu Bismarck und Adolf Hitler eingesehen
Die Verfassung des Landes Hessen garantiert durch Artikel 59 in unserem Bundesland die sogenannte Lernmittelfreiheit (LMF). Diese wichtige Bestimmung sagt aus, dass sämtliche Schulbücher für Schülerinnen und Schüler kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Daher existieren an den einzelnen Schulen umfangreiche Bibliotheken, die die für den Unterrichtsalltag benötigten Materialien besorgen, verwalten und ihre Ausgabe organisieren.
Am GGG obliegt diese Aufgabe schon seit einigen Jahren einem Team um den Latein- und Religionslehrer Thomas Kleer. Zu seinen fleißigen Helfern zählt insbesondere auch eine „Stammgruppe“ von einem guten Dutzend Schülerinnen und Schülern verschiedener Jahrgangsstufen, die nicht nur einen Teil ihrer Schulzeit, sondern sogar regelmäßig auch Ferientage aufwenden, um den Bestand an schuleigenen Materialien ständig auf dem neuesten Stand zu halten.
Weil neben dieser ganzen Arbeit aber auch Gemeinschaftssinn, Freude und schulisches Lernen nicht zu kurz kommen sollen, unternimmt das Helferteam etwa einmal im Jahr einen Ausflug, der stets etwas mit den Themen „Bücher“ oder „Bibliothekswesen“ zu tun hat.
In diesem Jahr war das Hauptstaatsarchiv des Landes Hessen in Wiesbaden das Ziel der LMF-Gruppe. Dort wurden die Schüler sowie die begleitenden Lehrer Thomas Kleer und Dr. Sebastian Haude durch den Archivpädagogen, Herrn Müller-Henning, sehr fachkundig durch das Haus geführt. Er begann mit einem interessant gestalteten Überblick über die Geschichte und heutige Funktion von staatlichen Archiven, die neben ihrer historischen und dokumentarischen Aufgabe insbesondere in Konfliktfällen von Bedeutung sind. Um dies zu veranschaulichen, hatte Herr Müller-Henning sogar eigens ein für unsere Schule wichtiges Dokument aus dem Archiv herausgesucht. Darin geht es um den Ankauf des Grundstücks „In der Aue“ für das spätere Grimmelshausen-Gymnasium im Jahr 1957 (siehe Abbildung).
Der anschließende Rundgang durch das Archiv begann ebenfalls mit einem Bezug zur regionalen Geschichte. In einem normalerweise für Besucher unzugänglichen Raum präsentierte der Archivpädagoge der Gruppe den umfangreichen Bestand der Gelnhäuser Entnazifizierungsakten, die jedoch nur auf besonders begründeten Antrag einsehbar sind.
Weitere Punkte auf dem Programm waren schließlich ein originales Protokoll eines Hexenprozesses aus der Frühen Neuzeit, das für die Angeklagte tragischer Weise mit einem Todesurteil endete, sowie einige besonders wertvolle Dokumente aus dem Bestand des Archivs. Hierunter fielen vor allem mittelalterliche Urkunden aus verschiedenen Beschreibstoffen und solche mit diversen, auffälligen Siegeln. Bemerkenswert waren beispielsweise eine Pergamenturkunde Kaiser Rudolfs von Habsburg mit originalem Tonsiegel, eine Kopie der Goldenen Bulle mit schwerem Goldsiegel sowie die kleinste und die größte historische Urkunde des Staatsarchivs.
Der Rundgang durch die Bestände endete schließlich mit einigen neuzeitlichen Papieren mit originalen Unterschriften historischer Persönlichkeiten. Hierzu gehörte nicht nur eine aufwändig gearbeitete Schmuckurkunde Napoleons mit seiner Unterschrift, sondern auch eine Kopie der Rheinbundakte mit Unterschriften und Siegeln aller Bündnispartner sowie Dokumente mit den originalen Signaturen Queen Viktorias von Großbritannien, Kaiser Wilhelms I., Bismarcks oder auch Adolf Hitlers. Auf diese Weise konnten die Schüler einen Eindruck davon erhalten, wie „richtige“ Quellen aussehen, da ihnen solche Texte sonst nur als Abdrucke in zweiter oder dritter Herausgeberschaft und orthographisch verändert aus Schulbüchern bekannt sind.
Am Ende des hochinteressanten Rundgangs durch das Hauptstaatsarchiv war die Zeit für die LMF-Gruppe wie im Fluge vergangen. Alle dankten Herrn Müller-Henning nochmals herzlich für seinen lebendigen Vortrag und waren sich einig darin, in Wiesbaden einen schönen Tag verbracht zu haben.
Die Bilder zeigen: 1) Die LMF-Gruppe vor dem Wiesbadener Hauptstaatsarchiv 2) Das Dokument aus dem Archiv über den Ankauf des heutigen Schulgeländes „In der Aue“