„Nichts hat mich je so erschüttert wie dieser Anblick!“ Das waren die Worte des Oberbefehlshabers der alliierten Streitkräfte Dwight D. Eisenhower nach seinem Besuch des Buchenwalder Außenlagers Ohrdruf. Nur etwa eine Woche vor seinem Besuch am 12. April 1945 hatten US-Soldaten das Lager erreicht, welches kurz vorher noch von den Nationalsozialisten geräumt worden war. Die eintreffenden US-Soldaten stießen damals auf hunderte Leichen und nur wenige Überlebende. In Ohrdruf wurden sie erstmals mit den Verbrechen in den Konzentrationslagern konfrontiert.
Die Befreiung des Konzentrationslagers am 4. April 1945 liegt mittlerweile 80 Jahre zurück. Am 6. April 2025 wurde dieses Ereignisses mit einer Gedenkzeremonie mit Programm gedacht. Wir, fünf Teilnehmende der AG Facts-Not-Fiction, durften bei dieser Veranstaltung zugegen sein.
Unsere Anreise erfolgte bereits am 3. April per Zug und Bus. Nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten, gingen wir gemeinsam im Ort essen. Andrea Diallo und Mario Meininger, unsere beiden begleitenden Lehrkräfte, fragten hier auch bei den Leuten nach, ob das grausame Geschehen, das hier vor nicht mal einem Jahrhundert stattgefunden hatte, noch immer präsent war. Die Antwort: Die Menschen wüssten davon, im Gegensatz zur Gedenkveranstaltung. Wie wir später erfuhren, war dafür nämlich nicht geworben und generalisiert eingeladen worden. Einladungen waren stattdessen an internationale institutionelle Vertreter, aber vor allem auch Schülergruppen unterschiedlicher Projekte mit Bezug auf die Verbrechen des Nationalsozialismus‘ gesandt worden.
Am nächsten Tag wurden wir nach dem Frühstück an einer Sammelstelle mit Bussen abgeholt. Diese brachten uns zum Truppenübungsplatz Ohrdruf, der heute zwar von der Bundeswehr genutzt wird, aber auch in Teilen für Übungen gesperrt ist.
Die Fahrt durch die sanften Hügel, vorbei an Bäumen und dann wieder weiten Feldern, war bedrückend. Die Natur um uns herum lag, wie wir an diesem Tag immer wieder feststellen sollten, friedlich da und es schien an manchen Stellen beinahe so, als hätte sie sich diesen Ort nach all dem Schrecken endlich zurückgeholt.
Um 10 Uhr kamen wir schließlich an dem Platz an, auf welchem eine Kranzniederlegung stattfinden sollte. Diese Zeremonie wurde umrahmt von Reden Floriane Azoulays, der Direktorin der Arolsen Archives, und Prof. Dr. Jens-Christian Wagners, des Direktors der Stiftung „Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“. Weitere Redner waren Prof. Dr. Rebecca Boehling vom United States Holocaust Memorial Museum sowie John R. Crosby, US-Generalkonsul für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am US-Generalkonsulat Leipzig.
In ihren Reden behandelten sie nicht nur den Schmerz und die Grausamkeit, die hier vor nicht einmal einem Jahrhundert stattgefunden hatte, sondern stellten auch fest, dass Erinnerungskultur aufgrund der stärker werdenden extrem-rechten Szene an Relevanz nicht verliere, sondern vielmehr gewinne. Sie betonten ihre tiefe Verbundenheit mit den Opfern der Nationalsozialisten und allen, die unter ihrem Regime gelitten hatten.
Nach ihren Reden hatten wir noch einen Moment Zeit, mit den Anwesenden ins Gespräch zu kommen und uns auf dem Platz umzusehen. Schüler des Ohrdrufer Gleichensee-Gymnasiums hatten im Rahmen eines Schulprojektes Stelen aus Beton gegossen, die die Gesichter von KZ-Häftlingen zeigten und jetzt ausgestellt wurden.
Mit Bussen erreichten wir anschließend einen anderen Teil des Geländes. Ein anonymes Massengrab, bei dem wir Teilnehmende selbst weiße Rosen niederlegten, um den vielen Opfern der Nationalsozialisten zu gedenken sowie unseren Respekt zu erweisen.
Später wurden wir mit Bussen wieder zu unserem Startpunkt, Schloss Ehrenstein, gebracht. Hier erwartete uns ein Empfang mit Live-Musik sowie kulinarischer Verpflegung. Nach etwa einer Stunde ging es dann mit dem Programm weiter, einer Rede des Bürgermeisters und Floriane Azoulays, die sich bereits einmal auf dem Truppenübungsgelände an uns gewandt hatte.
Danach wurden die Schülerinnen und Schüler in unterschiedliche Gruppen eingeteilt, die dann an verschiedenen Workshops teilnehmen durften. Zusammen mit Teilnehmenden des Ohrdrufer Gymnasiums durften wir in unserem Workshop das Online-Modul „Suspekt – Landschaft der Verbrechen“ der Arolsen Archives ausprobieren. In diesem Modul werden mit einer 360°-Ansicht Orte der zahlreichen Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald, so auch Orte des Truppenübungsplatzes Ohrdruf, gezeigt. Diese Ansichten werden medial mit alten Fotos oder beispielsweise Informationstexten unterstützt. Dieses Modul ist online auf der Website der Arolsen Archives abzurufen und jedem ans Herzen zu legen. Interaktiv zeigt es Geschichte und Orte voller Geschichte, die man ansonsten wahrscheinlich niemals gesehen oder gehört hätte.
Während der anschließenden Podiumsdiskussion hat Felix Ortmann unser Projekt „Facts Not Fiction“ vorgestellt. Er stellte besonders fest, dass wir alle Teil davon seien, eine Erinnerung an die Menschen, die die Nazis entrechteten, entmenschlichten und auslöschen wollten, zu erhalten. Erinnerungskultur sei wichtig und es gebe ihm Hoffnung auf die Zukunft, zu sehen, wie viele Menschen sich damit beschäftigten. Weiterhin stellten die anderen vier Diskutanten ihre eigenen Projekte vor, die allesamt einen Teil eben dieser Erinnerung ausmachen.
Nach der Podiumsdiskussion war es schließlich Zeit für die Abreise. Eine sehr nette Mitarbeiterin der Arolsen Archives half uns, unsere Koffer zu verladen, und fuhr uns zum Bahnhof in Gotha, von welchem wir dann den ICE Richtung Fulda nahmen. Nach einer längeren Umstiegszeit in Fulda trafen wir spätabends in Gelnhausen ein.
Abschließend lässt sich sagen, dass dies keine Reise war, die wir einfach nur so antraten oder die einfach fiel. Es war ein eindrückliches Erlebnis, von dem wir alle einmal mehr mitnehmen: Erinnerungskultur darf nicht vergessen werden oder gar zu Ende gehen.
Leonie Lena Strobel