ERZÄHLSTAMMTISCH Erinnerung an die Gründung der legendären Lokalität
GELNHAUSEN (cra). „Wie brav wir doch alle damals ausgesehen haben, so mit Anzug und Krawatte“, schmunzelten einige „Silberköpfe“ im Rentenalter bei der Betrachtung von Fotos, die Anfang der 1960er Jahre entstanden sind. Hellmut Pohnert, ehemaliger Vertrauenslehrer des Grimmelshausen-Gymnasiums (GGG), zeigte die interessanten Aufnahmen anlässlich des jüngsten Erzählstammtisches des Geschichtsvereins. Zusammen mit Hannelore Pohnert sowie Gernot Frey war der frühere Lehrer eingeladen worden, um etwas über den alten Jazzkeller des GGG zu berichten. Zum Auftakt las der erste Vorsitzende des Geschichtsvereins eine E-Mail von Joachim Fischinger vor, der 1962 ebenfalls zu den Gründern des Jazzkellers gehörte. Darin schrieb dieser, dass er gemeinsam mit ein paar Schulfreunden nicht nur Bühne und Bar, sondern für die Schülerband „Christoffels Blue Band“ auch einen Kontrabass selbst gebaut hatte, der recht gut geklungen habe. Der Referent des Abends, Hellmut Pohnert, berichtete, wie er 1958 als junger Lehrer ans GGG, das sich damals noch am Obermarkt im Gebäude der heutigen Tourist-Information befand, gekommen war. Im Schuljahr 1961/62 erfolgte der Umzug in den Neubau „In der Aue“, und kurze Zeit später sei er von ein paar Schülern angesprochen worden, die im alten, jetzt leer stehenden Gebäude einen Jazzkeller einrichten wollten. Während sich einige ältere Lehrkräfte über das Ansinnen entrüsteten und sittenwidriges Verhalten fürchteten, setzte sich der Vertrauenslehrer für das Anliegen der Jugendlichen ein und erreichte, dass im ehemaligen Chemie- und Physiksaal, der heutigen Stadtbücherei, ein Jazz-„Keller“ mit Bühne und Bar eingerichtet wurde. „Ich hatte den Thekendienst übernommen und eine alkoholfreie Bar betrieben“, berichtete Gernot Frey, der ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern gehörte. Nach den Sommerferien 1962 spielte jeden zweiten Freitagabend die erwähnte Schulband zum Tanz auf, überwiegend mit Jazz und Dixieland. „Manchmal habe ich gefürchtet, der Boden könne durchbrechen, so heftig wurde getanzt“, erinnerte sich Hellmut Pohnert, der die Aufsicht über die schulische Veranstaltung führte. Zwei Jahre später wollte die Stadt Gelnhausen das Gebäude anderweitig nutzen und der Jazzkeller musste sein Domizil verlassen. Glücklicherweise stellte die Großmutter einer Schülerin den jungen Leuten ihren Keller am Untermarkt 13 zur Verfügung. „Jetzt war es unsere Klasse, die den Jazzkeller organisierte“, verdeutlichte Dr. Hans Henning Kappel und berichtete, wie er gemeinsam mit Schulkameraden den ehemaligen Kohlenkeller entrümpelt und renoviert hatte. Verantwortlich für den Jazzkeller sei ein Team gewesen, das von der SV gewählt wurde, so Hellmut Pohnert. Er lobte die hervorragende Organisation, doch die Musik sei ab Mitte der 60er Jahre, als die Schulband lieber Beatles-Songs statt Jazz spielte, nicht mehr sein Geschmack gewesen. Der nächste Umzug der mittlerweile am Gymnasium etablierten Einrichtung erfolgte 1969 in Kellerräume im Arnsburger Hof in der Langgasse. Hier existierte der Jazzkeller, in dem kein Jazz mehr gespielt wurde, bis 1993. Mit dem Zeitgeist wandelte sich die ehemalige Live-Veranstaltung zur Diskothek.
Flucht nach draußen
Pohnert war als Lehrer noch weiterhin verantwortlich, flüchtete jedoch vor der lauten Rockmusik häufig nach draußen vor die Tür. „Dort wurde ich einmal von mehreren GIs bedrängt. Als ich sie nicht hineinlassen wollte, haben sie mich beiseite geschubst und sind in den Keller gestiegen. Aber sie kamen bald zurück, als sie dort die Kinder gesehen haben“, erinnerte er sich. Eine Teilnehmerin des Abends erzählte, dass im Jazzkeller ihre Ehe gestiftet worden sei, und ein anderer stimmte zu, dass er dort ebenfalls seine Frau kennengelernt habe. Bezüglich des Alkoholverbotes habe es im Keller niemals Probleme gegeben, wer ein Bier trinken wollte, sei eben in eine der zahlreichen umliegenden Gaststätten ausgewichen. In den 80er Jahren sei es im Jazzkeller ruhiger geworden. Der ehemalige Schulleiter Heiner Kauck habe ihn noch anderweitig vermietet, und als es bei dieser Gelegenheit bei einer Veranstaltung zu laut wurde, sei die Polizei erschienen und habe das Gebäude unter die Lupe genommen. Aus brandschutzrechtlichen Gründen wurde zunächst ein Notausgang in den Keller gesprengt. Die dadurch entstandene Lärmbelästigung der Anwohner habe jedoch zur Schließung geführt, berichtete Pohnert. Ab 1993 wurde ein ehemaliger Fahrradkeller im Gymnasium zum Kulturkeller umgebaut. In Erinnerung an alte Zeiten lässt dort eine Gruppe Ehemaliger jeweils zum Barbarossa- und zum Schelmenmarkt den ehemaligen Jazzkeller wieder aufleben. Es seien jedoch hauptsächlich jüngere Leute, die erst vor ein, zwei oder drei Jahrzehnten ihr Abitur gemacht hätten, wurde am Stammtisch des Geschichtsvereins berichtet.