Mit dem Ende der zehnten Klasse verabschieden wir als Lehrkräfte der Friedrich-August-Genth-Schule regelmäßig unsere Schülerinnen und Schüler in die gymnasiale Oberstufe – meist an umliegende Schulen. Manchmal besuchen uns Ehemalige und berichten von ihren Erfahrungen in der neuen Umgebung. Doch dieses Jahr war für mich besonders – denn ich durfte den weiteren Weg eines Teils meiner Schülerschaft nicht nur hören, sondern aktiv begleiten.
Als ich 2022 nach sechs gemeinsamen Jahren meine Klasse und Parallelklasse verabschiedete, ahnte ich nicht, dass ich einige von ihnen bald wiedersehen würde – diesmal am Grimmelshausen Gymnasium. Im Rahmen einer Abordnung wechselte ich quasi mit ihnen in die Oberstufe. Nun, drei Jahre später, blicke ich bewegt auf diesen besonderen Abschnitt zurück: Auf der Akademischen Feier saß ich nicht als Außenstehende im Publikum, sondern konnte miterleben, wie meine ehemaligen Schülerinnen und Schüler ihr Abiturzeugnis erhielten – ein emotionaler Moment.
Besonders bewegend war es für mich bei jenen, die ich von Klasse 5 an kontinuierlich unterrichtet hatte – in zwei Fällen sogar bis hin zum Deutschabitur. Solche Erlebnisse sind für mich das Herzstück unseres Berufs.
Oft werde ich gefragt, ob die Tätigkeit an zwei Schulen nicht eine Doppelbelastung sei – zumal ich seit einem Jahr die pädagogische Leitung an der Friedrich-August-Genth-Schule innehabe. Doch die enge Kooperation zwischen beiden Schulen, getragen von gegenseitigem Respekt und kollegialem Austausch, macht es möglich. Für mich ist sie ein Gewinn: fachlich wie menschlich.
Ein Gewinn ist diese Zusammenarbeit auch für unsere Schülerinnen und Schüler – auch wenn beide Schulen noch immer mit überholten Vorurteilen zu kämpfen haben. Dem Grimmelshausen Gymnasium wird oft nachgesagt, es sei elitär und der Weg zum Abitur besonders hart. Die Friedrich-August-Genth-Schule hingegen sieht sich dem Vorurteil ausgesetzt, ihre Absolventinnen und Absolventen seien nicht ausreichend vorbereitet für die Oberstufe.
Aus meiner Erfahrung kann ich beides entschieden zurückweisen: Die 96 geehrten Abiturientinnen und Abiturienten – darunter zehn mit einem Schnitt von 1,0 oder besser, viele mit einer „1 vor dem Komma“ – sprechen für sich. Eine dieser Top-Absolventinnen stammt übrigens von der Genth-Schule. Das zeigt: Engagement, Wille und Förderung sind nicht an Schulnamen gebunden.
Nach zehn Jahren an der Friedrich-August-Genth-Schule und drei Jahren am Grimmelshausen Gymnasium kann ich sagen: Beide Schulen leben Bildung. Sie fördern, fordern, begleiten – auf Augenhöhe. Ich freue mich, dass unsere Kooperation weitergeht und ich auch im kommenden Schuljahr wieder in der Oberstufe unterrichten darf.
Langfristig wünsche ich mir, dass wir weniger über Klischees sprechen – und mehr über das, was wirklich zählt: die individuelle Entwicklung unserer Schülerinnen und Schüler.
Carina Schauermann
Pädagogische Leitung der Friedrich-August-Genth-Schule