SCHULE Öffentliche Prüfung im „Darstellenden Spiel“ am Grimmelshausen-Gymnasium
GELNHAUSEN (cra). „Ist Georg Büchners Drama „Woyzeck“, das bereits vor 180 Jahren verfasst wurde, heute noch aktuell? Mit dieser Frage beschäftigten sich drei Kurse „Darstellendes Spiel“ am Grimmelshausen-Gymnasium und setzten ihre Antworten in mehreren Spielszenen künstlerisch um. Die öffentliche Aufführung war Bestandteil des Unterrichts und wurde wie eine Klausur gewertet. „In diesem Schuljahr wurde DS, also Darstellendes Spiel, als weiteres musisches Fach neben Kunst und Musik am Grimmelshausen-Gymnasium eingeführt. Da steckt ganz viel Arbeit drin“, verdeutlichte Sabine Hartmann, Leiterin des Fachbereichs Sprachen, Kunst und Musik, anlässlich der Begrüßung und wies noch auf die Verköstigung während der Pause hin, die Schüler des Deutschleistungskurses übernommen hatten, um damit ihre Studienfahrt nach Prag zu finanzieren. Außerdem dankte sie den Lehrkräften Paul Ciupka, Natascha Seitz und Astrid Mitlehner, die in ihren DS-Kursen der Jahrgangsstufen elf, zwölf und 13 diese Spielcollage einstudiert hatten. Dazu erhielten die Schüler nicht nur wöchentlich zwei Stunden Unterricht in diesem Fach, sondern waren kurz vor der Aufführung drei Schultage zum Proben vom übrigen Unterricht befreit worden. Das Ergebnis konnte sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen. Bereits beim Betreten der Aula verblüfften zwei junge „Saalordner“ in dunklen Anzügen die Besucher, als sie zur Einlasskontrolle einen Personalausweis oder ein ähnliches amtliches Dokument einforderten. „Ich habe meine Scheckkarte vorgezeigt und noch einen kleinen Obolus gezahlt“, schmunzelte Schulleiter Friedrich Bell, der keinen Ausweis mit sich führte. Mit Überraschungen ging die Veranstaltung weiter, als der Moderator auf der Bühne plötzlich erschossen wurde, nachdem er sich kritisch über Überwachungspraktiken und Drohneneinsatz des Friedensnobelpreisträgers Barack Obama geäußert hatte. Eine „Zuschauerin“, die dagegen protestierte, wurde von den „Saalordnern“ zum Verlassen des Saales gezwungen. Aber was hatte das alles mit Woyzeck zu tun? In unterschiedlichen Darstellungen zeigten mehrere Schülerpaare Szenen aus dem Theaterstück, worin der Hauptdarsteller kontrolliert und schikaniert wird. Als seine Liebste, die er beim „Fremdgehen“ erwischt, ihn noch als einen Versager beschimpft, bringt er sie um und verschafft sich dadurch ein Ventil für seinen sozialen Druck, dem er ständig ausgesetzt ist. In weiteren, eigens dazu geschriebenen Spielszenen wurde die Originalbotschaft in die Gegenwart übertragen. Komplettiert wurde die Aufführung durch Botschaften einzelner Schüler, die sich auf der Bühne namentlich vorstellten und über persönliche Probleme mit Stress, Alkohol und familiären Konflikten berichteten. Fast alle Darsteller waren in einheitliches Schwarz gekleidet und kamen nur mit sparsamen Requisiten und einem minimalistischen Bühnenbild aus, wobei auf Kulissen vollständig verzichtet wurde. Umso wichtiger wurde dadurch die Bühnenpräsenz und hier zeigte sich, dass sämtliche Schüler ihr Lernziel erreicht hatten. Mit einem fiktiven Polittalk über die Frage, ob Büchners Woyzeck für die heutige Zeit noch relevant sei, wurde die Aufführung beendet. Hier agierten die jungen Darsteller unter anderem in den Rollen der Bundespolitiker Friedrich, Merkel, Pofalla, Kubicki und Ströbele sowie als US-Außenminister John Kerry, BND-Chef Hans Mayer und Schriftstellerin Juli Zeh. Auch wenn die Benotung der einzelnen Schüler hinter den Kulissen erst noch erfolgte, mit frenetischem Jubel, Pfiffen und begeistertem Applaus demonstrierten die Besucher, dass in ihren Augen alle die Prüfung erfolgreich absolviert hatten. Insgesamt nahmen an den drei Kursen „Darstellendes Spiel“ 60 Schülerinnen und Schüler teil. Wer von ihnen nicht auf der Bühne agierte, war durch Technik und Maske an der Aufführung beteiligt, was ebenfalls bewertet wurde.
Quelle: „GT“ 9.7.2014