Der Kampf ums Zuhause im Regenwald

Christina Haverkamp erzählt am Grimmels von ihren Abenteuern

Christina Haverkamp engagiert sich bereits seit über 30 Jahren für den indigenen Volksstamm der Yanomami des brasilianischen Regenwalds, hält Vorträge über ihre Expeditionen und klärt über die Situation dieser Menschen auf. Das Naturvolk gehört zu den letzten noch ursprünglich lebenden indigenen Völkern Südamerikas. Neuntausend von ihnen leben im nördlichen Amazonasgebiet, mehr als Zwölftausend im Quellgebiet des Orinoko,im südlichen Venezuela.

Am12. Dezember 2022war die Menschenrechtsaktivistindank der Organisation von Christine Bischoffbei uns am Grimmels zu Gast. Sie erzählte den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 5 bis Q1 in der Aula von ihren Abenteuern und ihrem Engagement für die Yanomami. Gespannt lauschten sie ihrer Geschichte, die sie mit den Worten begann: „Expeditionen sind Reisen, die häufig auch Gefahren darstellen“. 

Nach ihrem Lehramtsstudium wollte Christina Haverkamp etwas bewegen. 1989 ging sie nach Südamerika, wo sie auf Rüdiger Nehberg traf, einen bekannten Aktivisten, Abenteurer und Autor. Nachdem sie mit ihm in den Regenwald aufgebrochen war, wurden sie schon bald von den ersten Yanomami entdeckt, womit Christina ihre erste Begegnung mit den Ureinwohnern hatte. Nach gewissen Kennenlern-Ritualen (Christina wurde bspw. von den Frauen am ganzen Körper abgetastet, damit sie sehen konnten, dass sie genauso eine Frau ist wie sie), bekamen sie von ihnen direkten Einblick in ihr naturverbundenes Leben. Schon nach den ersten Stunden durften sie ihnen beim Fischen und Ernten der Bäume – wozu sie auf die hohen Regenwald-Bäume klettern müssen – zusehen, gemeinsam mit ihnen essen und bei ihnen im Dorf schlafen. Es handelt sich dabei um aus Baumstämmen und Palmblättern errichtete Runddörfer, die „Maloca“ genannt werden. Von außen sieht es aus wie ein riesiges Zelt, das eher einer historischen Stadtmauer gleicht. Es schützt die im Dorf lebenden Yanomami vor Gefahren des Urwalds, doch es trägt auch zum einzigartigen Gemeinschaftsleben bei. Dieses prägt die Kultur der Yanomami durch und durch. Z.B. kommt es auch oft vor, dass mit dem Nachbardorf gefeiert und somit gemeinsam gegessen und getanzt wird. Geburtstage oder sonstige Feiertage wie wir sie kennen, gibt es bei ihnen aber nicht, da sie keinen Kalender haben. Dort gibt es nur die Trocken- und die Regenzeit. 

Christina erzählte, wenn einem Yanomami-Indianer eine Frau gefalle, würde er sie einfach „stehlen“ und mit in sein eigenes Dorf nehmen. Sie leben dann als Paar zusammen, es sei denn, die Frau möchte dies nicht mehr. Dann könne sie einfach wieder heimkehren. 

Auch die Bestattung der Toten wird sehr feierlich gestaltet. Stirbt ein Mitglied des Dorfes, wird der Leichnam verbrannt und die Asche mit Bananenbrei vermischt, den anschließend alle anderen zu sich nehmen. Dieses Ritual soll dazu beitragen, dass die Seele des Verstorbenen in den Angehörigen weiterleben kann. Als daraufhin ein sehr befremdendes Murmeln durch unsere Reihen ging, erzählte Christina, dass es den Yanomami ebenfalls so gehe, wenn sie von unseren Bestattungstraditionen erzähle. „Warum werft ihr eure Liebsten den Würmern und Maden zum Fraß vor?“, fragen die Yanomami dann, ebenso angewidert. Wenn man darüber nachdenkt, eine berechtigte Frage.

Diese besonderen Traditionen und Lebensweisen machen die einzigartige Kultur der Yanomami aus, die wir unbedingt bewahren sollten, indem wir die Ureinwohner schützen. Sie hüten den Regenwald und damit den Großteil der Lunge unserer Erde.

Doch das Urvolk wird bedroht: Nicht nur die Malaria übertragenden Moskitos und andere aus ihrer Außenwelt eingeschleppten Krankheiten setzen den Menschen zu, sondern auch die zunehmend aufkommenden Goldsucher. Sie roden große Flächen, um Dörfer und Landebahnen für Hubschrauber zu errichten, und suchen anschließend lange Zeit nach Gold, wozu sie riesige Löcher graben und mit Wasser fluten. Sie erschaffen große Sumpflandschaften – ideale Brutplätze für Moskitos – und leiten Quecksilber in das Wasser, um das Gold leichter herausfiltern zu können, welches sich durch eine chemische Reaktion zu Klumpen verbindet. Dadurch wird das Wasser vergiftet. Das lebenswichtige Element der Yanomami. Viele Kinder leiden bereits unter einer Quecksilber-Vergiftung. 

Doch als wäre das nicht schon genug, überfallen viele Goldsucher-Gruppen die Yanomami-Dörfer, weil sie sie aus dem Weg schaffen wollen. Da diese Menschen häufig Schusswaffen bei sich tragen, haben die Yanomami letztendlich keine Chance.

Die Regierung des Staates selbst greift allerdings auch nicht ein. Der ehemalige Präsident Bolsonaro ist brutal gegen die Yanomami und den Regenwald vorgegangen und hat einen Nutzen daraus gezogen, dass es immer weniger Menschen im Regenwald gibt, die in seinen Augen (oder der der Regierung) Platz “wegnehmen”. Große Hoffnung liegt nun in der Präsidentschaft Lula da Silvas, der seit Januar 2023 regiert.

Um auf die dramatischen Probleme und die Unterdrückung der Ureinwohner aufmerksam zu machen, starteten Christina Haverkamp und Rüdiger Nehberg 1992 eine Protestaktion zur 500-Jahr-Feier der Entdeckung Amerikas. In einem selbstgebauten Bambusfloß überquerten sie den Atlantik von Senegal nach Brasilien. Mit der Aufschrift auf ihrem Segel (aus dem Englischen übersetzt) erlangten sie viel Aufmerksamkeit in Fernsehen, Radio und Zeitungen: 

„500 Jahre Amerika, 500 Jahre Völkermord. Landrechte für alle Indianer Nord- und Südamerikas.

Rettet die Yanomami und den Regenwald. SOFORT!“.

Außerdem schrieb Nehberg das Buch „Über den Atlantik und durch den Dschungel“ (1994).

Dadurch konnten sie viele Spenden sammeln und erreichten viele Einwohner Südamerikas, sodass sie ein paar Ziele bei der brasilianischen Regierung durchsetzen konnten. 

Doch das ist lang noch nicht alles. Christina Haverkamp baut mithilfe der Einnahmen der Aktionen ihres Vereins Yanomami-Hilfe e.V., der Vorträge, welche sie u.a. an deutschen Schulen hält, und mithilfe von Spenden Schulen und Krankenstationen in den Indianer-Dörfern. Die Yanomami helfen selbst dabei und leiten ihre Krankenstationen mittlerweile auch eigenständig. 

Dies ist sehr wichtig, damit sie bspw. Malaria-Patienten oder giftige Schlangenbisse heilen können und in den Schulen die Schriftsprache des Yanomamé sowie Portugiesisch, die Sprache der Regierung und der restlichen Bevölkerung Brasiliens und Venezuelas, lernen.

Zudem besitzt jede der bisher errichteten Krankenstationen ein Funkgerät. Damit können die Dörfer auch im tiefsten Regenwald miteinander kommunizieren, wenn sie Hilfe benötigen. Jedoch sind weit noch nicht alle Dörfer versorgt. Christina Haverkamp möchte dies bei allen Yanomami ändern, die sie kennt und die es sich wünschen.

Wir selbst, zwei Geschwister aus den Jahrgangsstufen 5 und Q1, haben den spannenden Vortrag im Dezember zusammen mit unseren Klassen bzw. Kursen in der Aula gehört und waren gleichermaßen beeindruckt, interessanterweise jeder von anderen Inhalten. Christina hat uns angesprochen und motiviert, den Menschen im brasilianischen Regenwald helfen zu wollen.

Wenn ihr auch etwas dazu beitragen wollt, dass es den Yanomami besser geht, könnt ihr euch hier nochmal genauer über das Urvolk informieren und evtl. eine „Kleinigkeit“ spenden oder sogar eigene Aktionen in Gang setzen. 

YanomamiHilfe e.V. | Offizielle Website der Hilfsorganisation von Christina Haverkamp  

In der dritten Januarwoche fliegt Christina wieder für drei Monate zu den Yanomami, um zusammen mit ihnen tief im Regenwald eine Krankenstation zu bauen. Es ist schön, dass die von uns Schülerinnen und Schülern des Grimmels gezahlten Eintrittspreise einen Beitrag zur Fortsetzung dieses Projekts leisten.Von Isabell (Q1) und Leopold Leske (5.1)